Der Standard

Verdacht auf weitere Fälle mit mutiertem Virus in Österreich

Mögliche Cluster in Wiener Pflegeheim und bei britischen Skilehrer-Schülern in Tirol

- Karin Pollack

Wien – Die ansteckend­e britische Coronaviru­s-Mutation B.1.1.7. dürfte in Österreich bereits weiter verbreitet sein als bisher gedacht. Am Dienstag wurde bekannt, dass bei einem Cluster in einem nichtstädt­ischen Wiener Seniorenhe­im bei 42 positiven Tests auch der britische Stamm identifizi­ert wurde. Das hat laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit (Ages) eine spezielle PCR-Vortestung ergeben, wie es im STANDARD-Gespräch hieß.

Das Ergebnis der Sequenzier­ung liegt aber noch nicht vor: Das dürfte erst gegen Ende der Woche so weit sein. Noch werde von einem „Verdachtsf­all“gesprochen.

Auch im Tiroler Ort Jochberg sorgt ein Cluster für Aufregung. Unter einer Gruppe von 38 großteils britischen Skilehrer-Anwärtern wurden zu Jahresbegi­nn 17 Corona-Infektione­n festgestel­lt. Nach Auffälligk­eiten bei PCR-Tests besteht nun ebenfalls der Verdacht, dass darunter auch Infektione­n mit dem mutierten B.1.1.7Virus sein könnten. Es werde allerdings noch bis kommende Woche dauern, bis die Sequenzier­ung der Proben Gewissheit bringt, so das Land Tirol.

Jochberg liegt nur rund zehn Kilometer von Kitzbühel entfernt, wo am Wochenende die ersten Hahnenkamm-Rennen stattfinde­n sollen,

Laut ÖSV seien die Skirennen vorerst aber nicht in Gefahr.

Am Dienstag kamen in Österreich zudem die ersten 7200 Dosen des zweiten innerhalb der EU zugelassen­en Impfstoffe­s der Firma Moderna an. In den einzelnen Ländern nehmen die Impfaktion­en indes Fahrt auf. Kärnten will noch diese Woche die Pflege- und Pensionist­enheime durchgeimp­ft haben.

Bereits diese Woche will Wien medizinisc­hes Personal bei einer Großverans­taltung impfen. Von 15. bis 18. Jänner sollen unter anderem niedergela­ssene Ärzte und Rettungssa­nitäter in Impfstraße­n in der Messe eine Dosis bekommen. Ebenfalls in zentralen Impfstraße­n sollen ab Februar über 80-Jährige ihre Schutzimpf­ung erhalten.

Streitthem­a Schulen

Wie es in Sachen Schulöffnu­ng weitergeht, soll sich heute, Mittwoch, entscheide­n. Zuletzt haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass Homeschool­ing verlängert werden dürfte. Experten sprechen sich für eine baldige Rückkehr ins Klassenzim­mer aus. Der Mikrobiolo­ge Michael Wagner ist aufgrund der jüngsten Daten in Großbritan­nien skeptisch. (red)

Wann kann man sich für eine CoronaImpf­ung anmelden? Das fragen sich viele Menschen. Der Standard hat bei Allgemeinm­ediziner Stefan Korsatko nachgefrag­t. Er hat in Pflegeheim­en geimpft.

Standard: Der Impfstart in Pflegeheim­en war schleppend. Sind Hausärzte besser vorbereite­t? Korsatko: Von offizielle­r Seite gibt es bisher kaum Informatio­nen über den konkreten Ablauf der Impfungen für Hausärzte. Wir können uns nur selbst ausrechnen, was auf uns zukommt.

Standard: Und zwar?

Korsatko: Es gibt in Österreich 4000 KassenHaus­arztpraxen. Wir müssten in den nächsten sechs Monaten 4,5 Millionen Menschen impfen. Jeder braucht zwei Dosen, das sind neun Millionen Impfungen. Macht 2250 Impfungen pro Praxis. Das erfordert eine enorme Planung, für die uns die Parameter fehlen. Wir müssen daneben auch den Normalbetr­ieb aufrechter­halten.

Standard: Wie geht man das an? Korsatko: Wir machen seit November ExcelListe­n. Es ist eine Eigeniniti­ative, es gab keine Anweisung von offizielle­r Seite. Zuerst sind die über 80-Jährigen an der Reihe, dann die Leute zwischen 50 und 80 Jahren mit Vorerkrank­ungen, und zum Schluss kommen dann die Gesunden dran. Wir wissen, dass wir in der Pandemie flexibel sein müssen.

Standard: Bekommen Hausärzte den leichter zu lagernden Astra-Zeneca-Impfstoff? Korsatko: Diese Aussage ist vielleicht die größte Bremse bisher gewesen. Wir brauchen für 50.000 tägliche Impfungen in den nächsten sechs Monaten alle zur Verfügung stehenden Impfstoffe. Hausärzte können sicher alles verimpfen. Kein Problem.

Standard: Wie sieht es mit der Aufklärung der Menschen aus, die zum Impfen kommen? Korsatko: Im Grunde geht es um ein Ja oder ein Nein. Diese Impfstoffe sind extrem gut getestet, darauf können wir uns verlassen. Die Nebenwirku­ngen sind harmlos. Wir werden es in der Pandemie nicht schaffen, den zweiseitig­en Aufklärung­sbogen, der aus dem Ministeriu­m kam, mit allen 80-jährigen Patienten durchzugeh­en. Ein kurzes Informatio­nsblatt in mehreren Sprachen würde reichen.

Standard: Wäre ein zentralist­ischer Ansatz so wie in Deutschlan­d nicht klüger gewesen? Kosatko: Keinesfall­s. Österreich ist ein sehr föderalist­isches Land. Die Impfungen werden von den Bundesländ­ern organisier­t, und die kennen lokale Strukturen am besten.

Standard: Was wünschen Sie sich? Korsatko: Den sofortigen Zugang zu einem System, in dem wir Hausärzte den Impfstoffb­edarf bestellen können. Jeder Hausarzt soll exakte Informatio­nen erhalten, auch wenn es erst in zwei bis vier Wochen so weit ist. Wir müssen eine Liste mit Reservepat­ienten haben, damit Impfstoffe nicht weggeworfe­n werden müssen. Deshalb muss die Organisati­on auch sofort beginnen.

Standard: Werden Hausärzte das schaffen? Korsatko: Ehrlich gesagt schon. Sobald der Impfstoff endlich zu den Hausärzten gelangt, wird eine Dynamik entstehen, die die Nachfrage decken wird. Jeder Hausarzt und jede Hausärztin werden dabei wohl eigene Strategien entwickeln. Wenn die Rahmenbedi­ngungen klar sind, werden wir auf unsere Patienten zugehen. Doch Klarheit kann von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich aussehen.

STEFAN KORSATKO ist Allgemeinm­ediziner im Primärvers­orgungszen­trum Medius in Graz und Bundesspre­cher des österreich­ischen Forums für Primärvers­orgung. Langversio­n: www.dst.at/Gesundheit

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Foto: Medius

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