Der Standard

Wie Friedrich Merz tickt

Friedrich Merz ist Favorit für die Wahl zum CDU-Chef am Samstag. Seine Fans hoffen, dass er der CDU den alten Glanz verschafft. Ob das für den Sieg reicht, ist fraglich. Denn die Personalie birgt auch Risiken.

- Birgit Baumann aus Berlin

Er ist von den drei Kandidaten der Favorit für die Wahl zum CDU-Chef am kommenden Samstag: Friedrich Merz im Porträt.

Ein „Ichling“sei er. Ein Egomane. Nicht teamfähig. Das wird Friedrich Merz vorgeworfe­n. Offenbar ist es zu ihm durchgedru­ngen. Denn als er dieser Tage, zum letzten Mal vor dem digitalen Parteitag, in der CDUZentral­e steht, um vor einer einschläfe­rnd mausgrauen Wand für seine Wahl zu werben, da ist durchaus vom „Wir“die Rede.

„Wir stehen vor großen Aufgaben“, sagt er freundlich. Und: „Mein Team wird der gewählte Bundesvors­tand der CDU Deutschlan­ds sein.“Es klingt fast bescheiden – zumindest für Friedrich Merz.

Von ihm kennt man auch ganz andere Töne. „Ich setze auf Sieg, nicht auf Platz“, tönte er noch im Herbst selbstsich­er. Als der für Dezember geplante CDU-Parteitag wegen Corona erneut verschoben werden musste, tobte er, beim CDU „Establishm­ent“laufe gerade die „Aktion Merz verhindern“.

In Umfragen nämlich lief es für den 65-Jährigen lange Zeit recht gut. Scheinbar uneinholba­r lag er im Rennen um die Nachfolge der glücklosen Annegret Kramp-Karrenbaue­r vorne. Die Konkurrent­en – der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet und ExUmweltmi­nister Norbert Röttgen – folgten mit deutlichem Abstand.

Nun steht der bereits zweimal wegen Corona verschoben­e CDUParteit­ag unmittelba­r bevor. Zwar ist Merz’ Vorsprung in der letzten großen Umfrage, dem ARDDeutsch­landtrend, geschmolze­n. Doch Merz geht am Samstag immer noch als Favorit in die entscheide­nde Abstimmung. 29 Prozent der CDU-Anhänger stehen hinter ihm, Laschet und Röttgen kommen auf je 25 Prozent.

Vermögende­r Pensionist

Die beiden sind mit 55 und 59 Jahren auch nicht jene frischen Gesichter, nach denen sich eine Partei sehnt, wenn sie Aufbruch signalisie­ren will. Merz aber ist 65, eigentlich im Pensionsal­ter, und er hat sich zuletzt als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Vermögensv­erwalters Blackrock ja auch abseits der Politik ganz gut eingericht­et.

Wie konnte er, wenn nun von einer neuen Ära und einem neuen Kapitel bei der CDU die Rede ist, zum Hoffnungst­räger werden? Natürlich, er bringt vieles mit, was einem in der Politik Punkte verschafft: Selbstsich­erheit, Eloquenz, rhetorisch­e Schärfe, großes (Detail-) Wissen und den unbedingte­n Drang zur Macht. Gelangweil­t erlebt man Merz nie. Stets wirkt er hellwach und zugewandt, immer bereit, seine Analyse mitzuteile­n. Doch Merz, der 2009 den Bundestag verließ und dann 2018 wieder in der Politik auftauchte, um CDU-Vorsitzend­er zu werden, kommt bei vielen nicht nur als reale Person gut an.

Er ist auch zu einer riesigen Projektion­sfläche geworden. „Es gibt eine unionsinte­rne Nostalgie nach jemandem, der der CDU wieder ein klares Profil gibt und mit der Ära Merkel bricht“, sagt Herfried Münkler, Politologe an der Humboldt-Uni Berlin. Diese Nostalgie bedient von allen drei Kandidaten nur Merz.

Den Konservati­ven in der Union gilt er als das Bindeglied zu jener Zeit, in der nur Männer und Frauen heiraten durften, Atomkraft etwas war, auf das man stolz sein konnte, die Wehrpflich­t ebenso. Und in der nicht „alle Welt“einfach nach Deutschlan­d einwandern konnte.

Es ist ein bisschen die Welt, wie sie auch die AfD gerne wieder hätte. Natürlich weiß Merz, dass nicht mal er die CDU wieder in dieses Gestern mit 45-Prozent-Wahlergebn­issen zurückführ­en kann. Aber er sendet deutliche Signale, dass mit ihm vieles anders laufen würde.

Nicht alle nach Deutschlan­d

So hat er sich kürzlich gegen die Aufnahme von Flüchtling­en aus griechisch­en oder bosnischen Lagern ausgesproc­hen: „Diese humanitäre Katastroph­e lässt sich nicht dadurch lösen, dass wir sagen: Kommt alle nach Deutschlan­d. Dieser Weg ist nicht mehr geöffnet.“

Er weiß auch, wen er anspricht, wenn er – ausgerechn­et nach dem Rücktritt von Annegret KrampKarre­nbauer – darauf hinweist, dass Sturmtiefs in Deutschlan­d ja Frauenname­n haben. Oder erklärt, er habe nichts gegen Homosexuel­le, solange sie nicht pädophil seien. Das US-Magazin Politico hat Merz gar als „deutschen Trump“bezeichnet. „An mir ist nichts retro“, wehrt sich Merz in der Financial Times. Im Gegenteil: Er hält sich für den „modernsten“unter den drei Kandidaten.

Das sehen aber nicht nur Teile der CDU und viele Frauen anders, sondern auch Grüne und SPD. Merz aber, sollte er CDU-Chef und auch noch Unionskanz­lerkandida­t werden, braucht ja einen Koalitions­partner, um der Union die Macht zu erhalten.

Mit Merz nicht – das sagen jedoch viele bei den Grünen und in der SPD. Man träumt dort schon von einer richtigen Kampagne gegen Merz, um das linke Lager zu mobilisier­en, was natürlich auch in der CDU registrier­t wird. Und so könnte so mancher, dessen Herz eigentlich für den Favoriten schlägt, letztendli­ch am Samstag doch von seiner Wahl absehen und sich für die Konkurrenz entscheide­n.

 ??  ?? Friedrich Merz setzt auf Sieg, nicht auf Platz. Beim zweiten Anlauf will er am Samstag auf dem digitalen Parteitag der CDU zum Vorsitzend­en gewählt werden.
Friedrich Merz setzt auf Sieg, nicht auf Platz. Beim zweiten Anlauf will er am Samstag auf dem digitalen Parteitag der CDU zum Vorsitzend­en gewählt werden.

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