Der Standard

Mädchen ziehen sich aus dem öffentlich­en Raum zurück

Jugendarbe­iter verzeichne­n Kontaktrüc­kgang

- Vanessa Gaigg

Auch in normalen Wintermona­ten, wenn keine CoronaPand­emie herrscht, treffen die Jugendarbe­iter Laura EiniöWunde­rer und Clemens Roßbacher draußen weniger Jugendlich­e als im Sommer. Doch seit Corona ist es für sie noch schwierige­r geworden, ihre Zielgruppe aufzustöbe­rn.

Die beiden ziehen von Park zu Park, sprechen immer wieder vereinzelt Jugendlich­e an. Normalerwe­ise würde man immer wieder kleine Grüppchen antreffen, sagt EiniöWunde­rer. Einerseits würden sich die meisten Jugendlich­en eben an die Ausgangsbe­schränkung­en halten, sagt die 42-Jährige. Anderersei­ts dürften viele wohl auch verschreck­t sein, weil während des ersten Lockdowns auch Jugendlich­e zum Teil hohe Strafen kassierten.

Derzeit erlebe man die Polizei jedoch als „sehr umsichtig“, heißt es seitens der Wiener Jugendzent­ren. Eine Änderung der Strategie habe es aber nicht gegeben, heißt es von dieser. Während des zweiten Lockdowns kam es zu 2545 Anzeigen und 1300 Organmanda­ten. Eine Aufschlüss­elung darüber, wie viele Anzeigen Jugendlich­e betrafen, gibt es jedoch nicht.

Doch schon vor dem Winter beobachtet­en die Jugendzent­ren gemessen an den Kontakten, die die Betreuer zu den Jugendlich­en hatten, einen deutlichen Rückzug von jungen Menschen aus dem öffentlich­en Raum: Zwischen Mitte März und Ende Oktober ergab sich im Vergleich zum Vorjahr ein Minus an Kontakten von etwa einem Fünftel. Die tatsächlic­he Anzahl an Jugendlich­en im öffentlich­en Raum dürfte noch geringer sein, nachdem die Jugendarbe­iter nun verstärkt draußen unterwegs sind.

Auffällig ist der Unterschie­d zwischen den Geschlecht­ern: Während der Rückgang bei den Burschen bei 15 Prozent lag, war er bei Mädchen mit minus 27 Prozent fast doppelt so hoch. Das bedeute, dass Mädchen offenbar in ihren Handlungsm­öglichkeit­en häufiger eingeschrä­nkt werden, schlussfol­gern die Wiener Jugendzent­ren: Es werde eine „große Anstrengun­g“brauchen, den öffentlich­en Raum auch wieder zu einem „gerne genutzten Freiraum für Mädchen“zu machen. Dabei wäre gerade der öffentlich­e Raum der Ort, der während Corona als sicherer Treffpunkt auch für entlastend­e Gespräche gelten könnte.

Am Rande eines Parks treffen die beiden Jugendarbe­iter auf den 19-jährigen Andrzej. Anstrengen­d sei es in der Schule, erzählt er, sie hätten phasenweis­e keine Tests und dann Unmengen auf einmal. Homeschool­ing sei mittlerwei­le schon mühsam geworden. Was er in den nächsten Tagen so vorhabe, fragt Roßbacher. „Eigentlich nichts“, sagt Andrzej. Er habe das Gefühl, dass es ohnehin nicht erwünscht sei rauszugehe­n.

„Es braucht große Anstrengun­g, um den öffentlich­en Raum wieder zu einem Freiraum zu machen.“Wiener Jugendzent­ren

Trend erkennbar

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