Der Standard

Zum Abschied jeden Tag Wirbelwind

US-Außenminis­ter Mike Pompeo schafft vor Ende seiner Amtszeit noch Tatsachen. Kuba, Taiwan, Iran: Joe Biden soll es möglichst schwer haben, Akzente zu setzen. Er selbst hingegen will sich profiliere­n – Kritik ist da nicht willkommen.

- Manuel Escher

Die Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident endete am 11. Jänner 2021 um 19.49 Uhr.“Jene seines Vizes Mike Pence sogar schon knapp fünf Minuten zuvor. So war es jedenfalls Montagaben­d kurzfristi­g auf der Website des US-Außenminis­teriums zu lesen. Kein Hackerangr­iff, wie ein Sprecher später bekanntgab, sondern ein „verärgerte­r Mitarbeite­r“sei verantwort­lich gewesen.

Deren gibt es, wie Berichte von US-Medien nahelegen, im USAußenamt derzeit viele. Mike Pompeos Amtszeit hingegen lässt noch keine Anzeichen ihres baldigen Endes erkennen oder gar davon, schon vorbei zu sein. Trumps Außenminis­ter nutzt die letzten Tage, um noch einmal Spuren zu hinterlass­en. Fast täglich setzt er neue Schritte. Taiwan, Kuba, Nahost und Iran: Frisch geschaffen­e Fakten sind das Ziel. Pompeos designiert­er Nachfolger Antony Blinken soll weniger Handlungss­pielraum für eigene Akzente

bekommen. Und Pompeo selbst ein möglichst geschliffe­nes konservati­ves Profil.

Immerhin sieht sich der 57-jährige Republikan­er mit seiner Karriere nicht am Ende. Selbst eine Rückkehr ins Weiße Haus, dann im Chefposten, soll der einstige Rüstungsma­nager und spätere Kongressab­geordnete in Erwägung ziehen.

Plötzliche­r Ideenreich­tum

Ideal also für Pompeo, dass Trump sich nach der Wahl im November auf die Bekämpfung des Resultats konzentrie­rte – und die Außenpolit­ik noch mehr als schon bisher aus den Augen ließ. So war es der Außenminis­ter, der auf der Reise nach Israel die Lorbeeren für die geglückten Normalisie­rungsverha­ndlungen mit den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, dem Sudan und Marokko erntete und der beim Besuch einer Siedlung im Westjordan­land den nach ihm benannten Pompeo-Wein verkosten durfte.

Und nun geht es überhaupt Schlag auf Schlag. Vergangene Woche schon verhängten die USA neue Sanktionen gegen Venezuela, einen Tag später folgten weitere gegen Beamte in Hongkong. Wiederum tags darauf schäumte Peking erst recht: Pompeo setzte eine seit 43 Jahren bestehende Regelung außer Kraft, wonach Kontakte zwischen Vertretern der US-Regierung und Taiwans zu beschränke­n seien.

Später wiederum ging es dann um den Iran. Zunächst kündigte das Außenamt an, die jemenitisc­he Huthi-Miliz, die enge Verbindung­en zu Teheran pflegt, auf die Terrorlist­e setzen zu wollen. Dienstag beschuldig­te Pompeo dann Teheran in einer Rede, der Terrormili­z Al-Kaida umfangreic­he Hilfe geleistet zu haben. Immerhin: Dem Irak erlaubte das US-Außenamt trotzdem via Ausnahmege­nehmigung, weiter Strom und Öl vom Iran zu kaufen.

Nicht zu vergessen: Kuba, dessen Annäherung mit den USA Biden ein

Anliegen ist. Diese wird nun schwerer, denn seit Montag befindet sich Havanna wieder auf der US-Liste der staatliche­n Terrorunte­rstützer.

Verkleidet ins Konsulat

Und dann ist da noch die Westsahara. Die Anerkennun­g des von Marokko besetzten Gebiets als Teil des Königreich­s ist Bestandtei­l jener Vereinbaru­ng, die Washington mit Rabat ausgehande­lt hatte – im Gegenzug für eine Anerkennun­g Israels. Die Verve, mit der die USA die Sache angehen, überrascht aber: Am Sonntag erschienen in der Stadt Dakhla diplomatis­che US-Vertreter, um der Eröffnung eines US-Konsulats in der „marokkanis­chen“Westsahara beizuwohne­n. Dass Botschafte­r David Fisher dabei die traditione­lle Tracht der sahrawisch­en Bevölkerun­g als Verkleidun­g über den Anzug streifte, sorgte für Kritik.

Diese wiederum gibt es an Pompeo auch – besonders innerhalb seines Ministeriu­ms: Während er andere Staaten über den Wert der Demokratie und freier Wahlen belehre, habe Pompeo den Wahlfälsch­ungsversuc­hen Trumps wenig entgegenge­setzt. Mitte November hatte der Minister selbst noch mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, dass es „eine fließende Übergabe der Regierungs­geschäfte“geben werde – „zur zweiten Amtszeit Trumps“.

Vergangene Woche verurteilt­e Pompeo zwar den Sturm auf das Kapitol, schwieg aber zur Verantwort­ung des Präsidente­n. Zwei äußerst ungewöhnli­che Protestdep­eschen von Amerikas Diplomaten aus dem Ausland waren die Folge.

Kritik freilich ist nicht Pompeos Stärke. Eine Reporterin des staatliche­n Radios Voice of America wurde auf sein Betreiben hin am Montag in den Innendiens­t versetzt. Sie hatte Pompeo nach einer Rede kritische Fragen zu stellen versucht. Thema seiner Ansprache: „Gefahren für die Redefreihe­it – durch „Zensur und politische Korrekthei­t“.

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Mike Pompeo macht zum Ende seiner Amtszeit noch einmal Druck. Wer ihn kritisiert, muss sich allerdings auf einen Maulkorb gefasst machen.

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