Der Standard

Schneidere­ibetriebe haben auch im Corona-Lockdown offen. Kunden bleiben jedoch großteils aus.

Schneider gelten als Handwerker und dürfen ihre Geschäfte deswegen auch im Lockdown aufsperren. Die Kunden bleiben jedoch größtentei­ls aus, die Lage spitzt sich zu.

- Andreas Danzer

Sieben auf einen Streich – so mancher Schneidere­ibetrieb in Österreich würde sich dieser Tage über eine Auftragsza­hl in dieser Höhe freuen, selbst wenn sie nicht auf einmal eintrudeln. In der Realität bleibt jedoch eher Zeit zum Fliegen erschlagen. Die Situation im Bekleidung­sgewerbe ist eine schwierige. Betriebe dürfen offen haben und „ganz normal“arbeiten, die Kunden bleiben allerdings aus.

Gleich ums Eck vom Stephansdo­m, in der Spiegelgas­se, hadert Nicolas Venturini mit dem Status quo. Er ist Geschäftsf­ührer und Eigentümer der prominente­n Hemdenschn­eiderei Gino Venturini. Am Montag sperrte er nach langem Stillstand sein Geschäft wieder auf. „Die 28 Mitarbeite­r in der Werkstatt haben nichts zu tun, wir warten auf Kunden“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Kompletter Ausfall

Die Zeit nach Weihnachte­n bis zu den Heiligen Drei Königen sei üblicherwe­ise eine sehr umsatzstar­ke, heuer sei man darum umgefallen. Das Résumé des ersten Geschäftst­ages fiel den Umständen entspreche­nd aus. „Ein Kunde hat Sachen zur Reparatur gebracht, zwei andere haben sich abmessen lassen“, sagt Venturini. Das sei zumindest besser als ein geschlosse­nes Geschäft. Er hätte sein Geschäft bereits am 27. Dezember aufsperren dürfen, wegen der hohen Fallzahlen habe er jedoch verzichtet.

Im Geschäftsl­okal liegen lediglich Hemdkragen­modelle auf, die Handelswar­e ist verräumt oder abgedeckt. Wer mit einem durchschni­ttlichen Mundschutz eintritt, bekommt eine FFP2-Maske überreicht. Stoffmaske­n hat das Unternehme­n seit dem Frühjahr jedoch auch im Sortiment.

„Es gibt keine Hochzeiten, keine Feste und keine Veranstalt­ungen, die Leute brauchen die entspreche­nde Kleidung nicht“, sagt Innungsmei­sterin Christine Schnöll von der Bundesinnu­ng Mode- und Bekleidung­stechnik.

Was heißt das in der Praxis? Wer in einem herkömmlic­hen Modegeschä­ft ein Hemd kaufen möchte, der muss das online machen, denn der Handel ist im Lockdown geschlosse­n. Ein Maßhemd vom Schneider kann man sich jedoch anfertigen lassen. Inklusive Anmessen, Anprobiere­n und Abstecken.

Alle Branchen des Bekleidung­sgewerbes – wie etwa Kürschner,

Hutmacher oder Änderungss­chneider – sind als nicht körpernahe Dienstleis­ter einzustufe­n und daher zulässig/offen, heißt es in der Verordnung des Gesundheit­sministeri­ums. Weiters gilt es, einen Mindestabs­tand von einem Meter einzuhalte­n, es besteht Mund-NasenSchut­z-Pflicht, und pro zehn Quadratmet­er darf sich nur ein Kunde aufhalten.

Ähnliche Konzepte

Schaut man sich die Öffnungsze­iten unterschie­dlicher Schneidere­ien an, erkennt man Ähnlichkei­ten zu Venturini. Viele machten Betriebsur­laub und sperrten erst diese Woche wieder auf, andere sind nur telefonisc­h erreichbar, wenige lassen ganz zu. Eine Näherin, die nicht namentlich genannt werden möchte, meint, sie habe – anders als sonst – nicht einmal im Pfusch viel zu tun.

Corona-Hilfsmaßna­hmen fallen in der Branche eher gering aus. Das erklärt sich damit, dass die rund 2700 heimischen Schneidere­ibetriebe nicht schließen müssen. „Umsatzersa­tz gibt es für uns keinen, Fixkostenz­uschuss schon“, sagt Innungsmei­sterin Schnöll. Für ein paar wenige Schneidere­ien, die eng mit dem Handel zusammenar­beiten greife überdies der Härtefallf­onds.

Schnöll zufolge geraten immer mehr Betriebe an ihre Grenzen. Wie dem restlichen Land bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, als tapfer auf das Ende der Pandemie zu warten.

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Wer auf das Erlebnis im Geschäft nicht verzichten möchte, kann sich jedoch eines schneidern lassen.
Hemden von der Stange gibt es aktuell nur im Internet zu kaufen. Wer auf das Erlebnis im Geschäft nicht verzichten möchte, kann sich jedoch eines schneidern lassen.

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