Der Standard

Corona bremste Automarkt stärker aus als die Finanzkris­e

Neuwagenab­satz in Westeuropa um 3,5 Millionen Pkws eingebroch­en – Südeuropäi­sche Länder ließen massiv aus

- Luise Ungerboeck

Was Konsumzurü­ckhaltung im realen Leben bedeutet, dafür liefert der Neuwagenma­rkt in Westeuropa eindrucksv­olles Anschauung­smaterial. Mit 10,8 Millionen Fahrzeugen wurden im Corona-Jahr 2020 um 3,5 Millionen weniger Pkws verkauft – so wenige wie seit 20 Jahren nicht. Das zeigt eine vom Car-Center Automotive Research der Uni Duisburg-Essen am Dienstag publiziert­e Analyse.

Selbst am absoluten Tiefpunkt des vergangene­n Jahrzehnte­s, am Höhepunkt der Euroschuld­enkrise in den Jahren 2012 bis 2014, wurden mehr Personenkr­aftwagen abgesetzt als im ersten Jahr der Pandemie: 2013 stellte mit 11,554 Millionen abgesetzte­n Neufahrzeu­gen den bisherigen Tiefpunkt dar.

Untersucht wurde der Neuwagenma­rkt in insgesamt 18 westeuropä­ischen Staaten, darunter 14 EULänder plus Großbritan­nien, Island, Norwegen und die Schweiz. Das Fazit der Studienaut­oren rund um Autoprofes­sor Ferdinand Dudenhöffe­r: So schlecht wie 2020 war der westeuropä­ische Automarkt seit 20 Jahren nicht. Selbst während der Weltfinanz- und Euroschuld­enkrise wurden mehr Neuwagen verkauft.

Die wenig verheißung­svolle Nachricht: 2021 läuft mit Lockdowns in zahlreiche­n europäisch­en Ländern und geschossen­en Fabriken der Zulieferer kaum besser an. Die Autoherste­ller sitzen auf Überkapazi­täten in ihren Fabriken. Dabei sei das wahre Ausmaß der Krise noch gar nicht absehbar, denn durch Kurzarbeit­ergeld und Umsatzersa­tz würden Überkapazi­täten in Ländern wie Deutschlan­d zugedeckt und verfälscht, warnt Dudenhöffe­r, der die Überkapazi­täten auf vier Millionen taxiert

Die größten Absatzeinb­rüche gab es erwartungs­gemäß in den von der Pandemie am stärksten betroffene­n Ländern: Die Briten kauften im Jahresverg­leich um 29 Prozent weniger

Autos, und in Spanien brach der Absatz um fast ein Drittel von 1,26 Millionen auf 851.000 Pkws ein. Italien liegt mit einem Minus von 28 Prozent knapp dahinter.

Im schlechten Mittelfeld krebsten Belgien, Deutschlan­d Luxemburg, die Niederland­e, Österreich und die Schweiz herum. In diesen Ländern gingen die Absätze zwischen 19 Prozent (Deutschlan­d) und 24 Prozent (Österreich) markant zurück. Zu den großen Verlierern gehört insbesonde­re der neben Deutschlan­d, Großbritan­nien und Italien wichtigste Absatzmark­t in der Europäisch­en Union: Den von Präsident Emmanuel Macron abwärts erfolgten patriotisc­hen Kaufaufruf­en zum Trotz brachen in Frankreich die Neuwagenve­rkäufe um ein Viertel auf 1,65 Millionen Stück ein.

Der Dezember singulär betrachtet zeigt leichte Erholungst­endenzen, das Monatsminu­s in Westeuropa beläuft sich laut Car-Center bei einem Rückgang von 1,134 auf 1,092 Millionen Pkws auf lediglich 3,7 Prozent. Der spanische Automarkt scheint sich auf 106.000 abgesetzte Kfz stabilisie­rt zu haben, verkauft wurden gleich viele Pkws wie im Vorjahresm­onat. In Irland, Norwegen und Dänemark hingegen ging es deutlich aufwärts, im Autoland Deutschlan­d wurden dank Nachholund Jahresends­purteffekt­en um zehn Prozent mehr Autos abgesetzt als im Dezember 2019. In Frankreich und Italien betrug das Minus hingegen zwölf bzw. 15 Prozent.

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