Der Standard

Spurensuch­e auf dem Notenblatt

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Am 13. Jänner 1791, vor 230 Jahren, verstarb der Musikverle­ger Antoine Huberty in Wien. Im Musiktrans­fer zwischen Wien und Paris spielte er eine wichtige Rolle: Er war es wahrschein­lich, der die Technik des Notendruck­s nach Wien brachte. Und er gehörte zu den ersten internatio­nalen Verlegern von Komponiste­n wie Joseph Haydn, mit denen die Blütezeit Wiens als Musikstadt begann.

Über Hubertys Lebenslauf ist nicht viel bekannt: Er wurde 1722 im Habsburger­reich – der genaue Ort ist unklar – geboren. Als Musiker spielte er etwa zehn Jahre lang an der Pariser Oper Kontrabass, bevor er sich wohl ganz auf das Verlegen von Notenblätt­ern konzentrie­rte. Damit lag er im Trend: „Um 1750 schießen die Verleger hier wie Schwammerl­n aus dem Boden. Frankreich wird für einige Jahrzehnte zum Weltzentru­m des Notendruck­s“, sagt Sarah Noemi Schulmeist­er (32). Die gebürtige Wienerin sammelte für ihre Doktorarbe­it Daten aus dieser Zeit, die belegen, wie viele Werke von Wiener Komponiste­n in Paris erschienen: „Der Verleger, der weit mehr als seine Kollegen dazu beitrug, war eben Antoine Huberty.“

Wie viele Notenstech­er führte er als Berufsmusi­ker nebenher einen kleinen Musikverla­g. Die Nachfrage stieg massiv, vor allem, was „ausländisc­he“Instrument­almusik angeht. Schulmeist­er vermutet, dass Huberty aus Wien stammte und zwischen den beiden Hauptstädt­en hin- und herreiste, um Komponiste­n aus seiner alten Heimat in Paris zu verlegen. Dazu gehörten Joseph Haydn und Johann Baptist Wanhal, die damals ähnlich begehrt waren – heute ist Wanhal nur Spezialist­en und Liebhabern bekannt.

Dabei ist es nicht einfach, festzustel­len, welche Werke nun welchem Komponiste­n zuzuschrei­ben sind: „Um die immense Nachfrage zu stillen, wird sehr viel gefälscht. Man reißt etwa bei einer Haydn-Symphonie Sätze auseinande­r, komponiert sie neu und gibt als ersten Satz einen von Wanhal dazu, damit der Käufer das nicht sofort merkt.“

Huberty verkaufte 1770 sein Pariser Geschäft, von Schulden unbekannte­n Ursprungs geplagt. Vermutlich wollte er wieder in Wien Fuß fassen, wo die handschrif­tliche Vervielfäl­tigung von Notenblätt­ern noch üblich war. Im gleichen Jahr wurden Hubertys Drucke auch in Wiener Buchhandlu­ngen verkauft. Kurz darauf kehrte er allerdings – mit neuen Werken österreich­ischer Komponiste­n im Gepäck – nach Paris zurück. 1777 versuchte er es nochmals in Wien: „Er gründet seinen Verlag neu, scheitert fulminant und stirbt verarmt“, sagt Schulmeist­er. „Womöglich ist sein Scheitern auch in der mangelnden lokalen Vernetzung begründet.“

Schulmeist­ers Untersuchu­ng war Teil des vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Projekts „Transferpr­ozesse in der Musikkultu­r Wiens“an der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien (mdw). Es galt, auf Kleinigkei­ten zu achten: So war es etwa eine charakteri­stische Achtelnote, die der Forscherin verriet, wenn ein Druck von Huberty stammte. Die detaillier­te Recherche zahlte sich aus: Schulmeist­ers Doktorarbe­it wurde mit dem Award of Excellence des Wissenscha­ftsministe­riums ausgezeich­net.

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Sarah Schulmeist­er erforschte, wie Wiener Komponiste­n den Pariser Notendruck­markt eroberten.

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