Der Standard

Das Beste aus allen Welten

- Andreas Schnauder

Ein Experte zur Linderung der massiven Arbeitsmar­ktschmerze­n kann nicht schaden. Mit Martin Kocher übernimmt ein in Makro- und Verhaltens­ökonomie bestens geschulter Fachmann das geschrumpf­te Ministeriu­m. Wirtschaft­liche Zusammenhä­nge zu kennen und mit Themen wie Anreize oder Motivation zu verknüpfen kann in der aktuellen Lage nur helfen. Tatsächlic­h sollte die Regierung angesichts von einer Million Personen in Arbeitslos­igkeit oder Kurzarbeit vor allem eines tun: aus allen Rohren schießen.

Menschen ohne Beschäftig­ung finanziell unter die Arme zu greifen hilft nicht nur den betroffene­n Individuen, sondern auch dem Konsum (wenn er wieder möglich ist), der wiederum Millionen Jobs sichert. Womit schon der erste Punkt angesproch­en wäre, bei dem Kocher seine ablehnende Haltung überdenken sollte. Unter Türkis-Grün kam es zwar zu zwei Sonderzahl­ungen an Arbeitslos­e, doch diese Politik erweist sich nicht als nachhaltig. Die Bezieher müssen sich schon auf dauerhafte Erhöhungen einstellen können, will man eine Stabilisie­rung des privaten Verbrauchs erreichen.

Der Vorteil einer fixen Anhebung des Arbeitslos­engeldes liegt zudem in seiner fixen Absenkung: Wer länger keinen Job findet, soll mit der Zeit stufenweis­e weniger Geld erhalten. Beschäftig­ung Suchende hätten somit am Anfang mehr Spielraum, qualitativ­e oder einkommens­mäßige Verschlech­terungen abzulehnen. Stellt sich aber zunehmend heraus, dass es für das Arbeitsang­ebot keine Nachfrage gibt, wächst der Druck, andere Jobs anzunehmen. Kocher sollte am besten wissen, dass diese Anreizwirk­ung positiv wirkt.

Die Regierung wäre zudem gut beraten, weitere Rezepte auszuprobi­eren, auch wenn sie von der Opposition stammen. Die Aktion 20.000 beispielsw­eise, durch die ältere Langzeitar­beitslose einen geförderte­n Job erhielten, hat sich weitgehend bewährt. Ein Drittel blieb nach Auslaufen der Unterstütz­ung in Beschäftig­ung. Wenn man die sonstigen Erfolgsquo­ten bei der Reaktivier­ung von Langzeitar­beitslosen bedenkt, ist diese Bilanz keine schlechte. D och die Arbeitsmar­ktpolitik sollte nicht isoliert – nach dem Motto: Der Staat schafft Jobs – betrachtet werden. Vielmehr gibt es gute Vorschläge aus nahezu allen politische­n Richtungen. Kocher, der sich der Empirie verschrieb­en hat, kann somit einen ganzen Strauß an Maßnahmen zusammenst­ellen. Zu empfehlen wären dabei auch Änderungen bei der Zumutbarke­it der Jobannahme. Das würde die schon lange geforderte Mobilität am Arbeitsmar­kt erhöhen und dazu führen, dass nicht in einem Bundesland jene Qualifikat­ionen gesucht werden, die anderswo brachliege­n. Bei Personen ohne Betreuungs­verpflicht­ungen ist es schwer einzusehen, dass Versicheru­ngsleistun­gen bezogen werden, obwohl ein aktives Einkommen möglich wäre.

Der Charme von Kochers Amt liegt darin, dass er viele verschiede­ne Ansätze kombiniere­n kann. Oder anders formuliert: das Beste aus allen Welten herauspick­en kann.

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