Der Standard

Ein notwendige­s Übel

- Muzayen Al-Youssef

Bye-bye, QAnon. Twitter hat im Kampf gegen die aus den USA stammende rechtsextr­eme Bewegung, die auf Verschwöru­ngsmythen setzt, 70.000 Konten gesperrt. Auch Amazon, Paypal und Konsorten werfen rechtsradi­kale TrumpFans nach dem Sturm auf das US-Kapitol in Scharen von ihren Plattforme­n. Das Zensur zu nennen wäre Unfug, denn schließlic­h handelt es sich um private Firmen, die frei entscheide­n können, wer mitmachen darf und wer nicht. Weniger problemati­sch wird das sogenannte Deplatform­ing damit aber nicht, denn es treibt die gefährlich­sten Ideologien in jene Ecken des Internets, die kaum von Behörden beobachtet werden können. Dort wuchern sie dann weiter.

Es ist eine gut dokumentie­rte Strategie von Rechtsextr­emen und Islamisten, Nutzer zu ködern, indem sie ihnen eine vermeintli­che Opferrolle vortäusche­n – und sie dann Schritt für Schritt gezielt indoktrini­eren, indem sie ihnen ein Feindbild einflüster­n. Auf Plattforme­n wie Telegram, die auf Inhaltsmod­eration pfeifen, nur teilöffent­lich sind und persönlich­ere Kontakte ermögliche­n, lässt sich dieses Phänomen etwa an dem Aufschwung der „Querdenker“-Bewegung beobachten.

Trotzdem ist es richtig, radikale Influencer von Facebook und Co zu verbannen. Viel zu leicht werden soziale Medien als Propaganda­maschinen missbrauch­t, ob von Verschwöru­ngsideolog­en oder populistis­chen Politikern. Die Plattforme­n sind gebaut, um Aufmerksam­keit zu belohnen, und die lässt sich mit Hass leicht generieren, vor allem, wenn Fakten keine Rolle spielen. Stattdesse­n werden Gegenstimm­en durch eine Übersättig­ung mit derartigen Inhalten gezielt verstummt und seriöse Diskussion­en verunmögli­cht. Deswegen ist Deplatform­ing – leider – notwendig. Solche Gruppierun­gen werden zwar nicht aufhören, gegen Feindbilde­r zu hetzen. Aber dann müssen ihnen zumindest nicht mehr alle dabei zuhören.

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