Der Standard

ZITAT DES TAGES

Vor dem Spiel gegen Sturm Graz spricht Rapids Trainer Didi Kühbauer über sein Image, den Druck, das Limit. Und über den Fußball und das Leben in Zeiten der Pandemie.

- INTERVIEW: Christian Hackl

„Es ist immer noch besser, ohne Fans als gar nicht zu spielen.“

Rapid-Trainer Didi Kühbauer über Fußballspi­ele ohne Zuschauer

Rapid und Sturm Graz eröffnen heute, Freitag, im Allianz-Stadion (19 Uhr) das Frühjahr der Fußball-Bundesliga. Siegen die Wiener, sind sie sogar für ein paar Stunden Spitzenrei­ter. Den Grazern würde schon ein Remis reichen. Rapid-Trainer Didi Kühbauer ist prinzipiel­l zuversicht­lich. Trotz Corona.

STANDARD: Inwieweit hat Sie die Pandemie verändert? Als Privatpers­on, als Trainer? Kühbauer: Wir alle haben so eine Situation wie jetzt mit dem Coronaviru­s nicht gekannt, höchstens aus schlechten Filmen. Ausgangssp­erren über einen längeren Zeitraum waren nicht vorstellba­r, das Leben ist eingeschrä­nkt. Der Lockdown geht jedem an die Substanz, trotzdem muss man optimistis­ch bleiben, darf nicht in Depression­en verfallen. Meine ältere Tochter ist 16, da fängt normal das Leben an. Seit einem Jahr kann sie praktisch nichts tun, Homeschool­ing ausgenomme­n. Das ist ein sozialer Einschnitt, den wir hoffentlic­h nie mehr haben werden. Zum Glück kann ich meiner Arbeit nachgehen.

STANDARD: Macht es momentan überhaupt Spaß, Trainer zu sein? Stellt man sich nicht die Sinnfrage, wenn Woche für Woche in leeren Stadien gespielt wird?

Kühbauer: Rapid trifft es hart, wir haben ja einen starken Zuschauerz­uspruch. Es ist aber immer noch besser ohne Fans, als gar nicht zu spielen. An einen totalen Stillstand will ich gar nicht denken. Fußball ist Emotion, Emotionen spürt man jetzt nicht wirklich. Trotzdem ist Fußballtra­iner ein extrem toller Job. Die Möglichkei­ten sind jetzt andere, aber ich muss genauso arbeiten wie vor der Pandemie.

STANDARD: Wie lange hält der Fußball diesen Zustand noch aus? Speziell bei Rapid dreht sich ja sehr viel um Emotionen.

Kühbauer: Jeder Klub auf der ganzen Welt wünscht sich, wieder vor vollen Rängen zu spielen. Da müssen wir durch. Aber meine Burschen machen es gut. Ich ziehe den Hut vor allen, die Leistung bringen. Anderseits sind Fußballer in einer besseren Situation. Was machen die Menschen im Handel oder Tourismus? Die sind weit schlimmer dran.

STANDARD: Sind Sie als Trainer noch mehr gefordert? Sie haben ja mit relativ jungen Leuten zu tun. Wie verhindert man eine kollektive Depression?

Kühbauer: Fußball ist immer ergebnisor­ientiert. Hast du Erfolge, und die haben wir, ist es leichter. Stehst du hinten drin und spielst grottensch­lecht, dann wird es heikel.

STANDARD: Erfolg macht die Lage also gerade jetzt erträglich­er. Das heißt, Sie würden nicht gerne mit Austrias Trainer Peter Stöger tauschen.

Kühbauer: Auf keinen Fall, bei allem Respekt vor dem Peter. Bei uns rennt es zum Glück in eine andere Richtung. Über allem steht aber das Coronaviru­s, es ist echt zach. Auch wenn ich mich wiederhole, Fußballpro­fis sind privilegie­rt. Mit und ohne Virus. Es ist ein unglaublic­h schöner Job. Ich hatte nie Verständni­s dafür, dass manche ihr Talent leichtfert­ig weghauen.

STANDARD: Rapid wurde während Corona Vizemeiste­r, liegt momentan nur einen Zähler hinter Salzburg und Sturm. Sie haben sich kurz vor Weihnachte­n beschwert, dass die Leistungen von der Öffentlich­keit zu wenig honoriert werden. Warum ist das so?

Kühbauer: Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur ein Fazit gezogen. Es war keine Beschwerde,

es war eine Richtigste­llung. Wir werden halt genauer beobachtet als andere Klubs. Ich habe nur Statistike­n vorgelegt. Trotz Abgängen und Verletzung­en haben wir mehr Punkte geholt. Verlieren wir einmal, hat das immer einen fahlen Beigeschma­ck, wird als Katastroph­e eingestuft. Das ist nicht in Ordnung.

STANDARD: In der Europa League ist man allerdings an Molde gescheiter­t, im Cup mit 2:6 gegen Salzburg ausgeschie­den. Seit 2008 gibt es keinen Titel. Liegt nicht darin die Ursache für Kritik? Oder sind die Erwartunge­n einfach zu hoch? Kühbauer: Der Druck auf uns ist immer hoch. Wir versuchen trotz Corona wirtschaft­lich vernünftig zu arbeiten. Es kommt nicht von ungefähr, dass Salzburg seit mehr als zehn Jahren Serienmeis­ter ist. Die Schere ist auseinande­rgegangen. Wir versuchen, sie zu schließen. Rapid und andere Klubs wie der LASK sind bereits näher dran. Natürlich wollen wir Meister werden, aber Salzburg hat eben andere Rahmenbedi­ngungen. Und sie machen es gut. Es muss alles funktionie­ren, um sie zu bezwingen, der Austria ist das einmal gelungen, sie hat sich in einen Rausch gespielt. Ein Titel würde alles erleichter­n, aber wir müssen die Kirche schon im Dorf lassen. Wir sind mit unseren Möglichkei­ten am Limit. Trotzdem geben wir uns niemals geschlagen.

STANDARD: Im Sommer verlor man die Leistungst­räger Stefan Schwab und Thomas Murg, Supertalen­t Yusuf Demir wird auch nicht in Hütteldorf in Pension gehen. Muss sich Rapid neu positionie­ren? Die Perspektiv­en werden nicht unbedingt rosiger.

Kühbauer: Wir müssen andere Wege einschlage­n, die Nachwuchsa­rbeit ist ein Teil davon. Aber auch da ist es schwierig. Die besten Talente gehen ins Ausland oder nach Salzburg. Wir müssen trotzdem Junge heranziehe­n. Wir werden nie die großen Ablösen zahlen. Das wollen und können wir nicht. Ein Spieler, der statt zum WAC zu Rapid will, kostet auf einmal 500.000 Euro mehr. Obwohl es derselbe Spieler ist.

STANDARD: Ist Rapid trotz der Umstände auf einem guten Weg?

Kühbauer: Behauptet einer, wir sind auf einem schlechten Weg, liegt er falsch. Wir machen es gut, wollen nicht stehenblei­ben, haben im Herbst auf hohem Niveau gespielt. Molde und das 0:3 gegen WSG Tirol ausgenomme­n. Aber es gibt keinen Grund, die Dinge infrage zu stellen.

STANDARD: Trägt Rapid Kühbauers Handschrif­t? Ihnen wird mitunter vorgeworfe­n, ein Defensivtr­ainer zu sein. Was entgegnen Sie? Kühbauer: Ich war mein ganzes Leben lang kein Defensivtr­ainer. Wir spielen mit dem und gegen den Ball, kommen zu vielen Möglichkei­ten, können auf allen Plätzen gewinnen. Wir dominieren meist, schießen Tore. Ich polarisier­e halt, das wird sich kaum ändern. Ich weiß aber, was man mit einer Mannschaft machen kann und was gut für sie ist.

STANDARD: Sie werden im April 50. Sind Sie ruhiger geworden, kein Häferl mehr? Kühbauer: Ich bin weit weg von dem Menschen, der ich vor zehn Jahren war. Und das ist gut so. Emotionen sollen immer da sein, ich bezahlte Lehrgeld, jetzt mache ich vieles richtig. Ich will als gestandene­r Trainer und nicht als Häferl gesehen werden. Anhand der wenigen gelben Karten, die ich bekomme, sieht man, dass ich geläutert bin. Kleine Rückfälle kann man nie ausschließ­en. Es wird aber mehr über die Mannschaft als über mich geschriebe­n, das freut mich.

„Ein Titel würde alles erleichter­n, aber wir müssen die Kirche im Dorf lassen.“

„Was machen die Menschen im Handel? Die sind weit schlimmer dran.“

STANDARD: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Gibt es Gespräche? Sie wollen wohl bleiben. Notfalls auch für weniger Geld? Kühbauer: Wir haben noch nicht darüber geredet. Ich mag Rapid über alles, glaube, dass die Entwicklun­g passt. Und Geld ist nicht alles.

STANDARD: Wie ist die Zusammenar­beit mit Sportchef Zoran Barisic?

Kühbauer: Wir arbeiten zusammen, gegeneinan­der arbeiten wäre sehr blöd. Wir sind beide clever, wissen, was machbar ist und was nicht.

STANDARD: Heute geht es gegen Sturm Graz. In der Vorbereitu­ng gab es einen Skandal, Stürmer Taxi Fountas hat im Test gegen die Admira einem Gegenspiel­er ins Gesicht gespuckt. Er wurde ausgeschlo­ssen und von der Liga für vier Partien gesperrt. Rapid hat die Strafe sofort akzeptiert. Anspucken ist ein absolutes No-Go, oder? Kühbauer: Ja. Fountas hat sich und uns keinen guten Dienst erwiesen. Wir regeln das intern.

STANDARD: Sturm hat seit sechs Partien kein Gegentor kassiert. Wie knackt man die Grazer? Kühbauer: Sturm arbeitet sehr gut gegen den Ball, es wird ein brutal intensives Spiel. Sie werden uns die Räume eng machen, aber wir werden Lösungen finden.

STANDARD: Ist für die Spieler das dichte Programm zumutbar?

Kühbauer: Jetzt hatten wir eine kurze Pause. Schauen wir die Tabellen in Europa an. Klubs, die dominierte­n, haben wegen der Dauerbelas­tung weniger Punkte. Liverpool, Real, Juventus und Barcelona sind ein paar Beispiele. Es wird sich wenig ändern. Aber man soll nicht jammern, darf den Spielern nicht suggeriere­n, dass es zu viel ist. Dann wird alles nur schlechter. Man kann nur hoffen, dass die Verletzung­en im Rahmen bleiben.

STANDARD: Letzte Frage: Lassen Sie sich impfen?

Kühbauer: Selbstvers­tändlich, alles andere wäre fahrlässig und verantwort­ungslos. Das Virus soll endlich verschwind­en.

DIDI KÜHBAUER (49) aus dem Burgenland ist seit Oktober 2018 Cheftraine­r von Rapid.

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Foto: APA/Oczeret
Didi Kühbauer lässt sich Emotionen nicht nehmen. Er hat Lehrgeld bezahlt und ist geläutert. Foto: APA/Oczeret

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