Virtueller Trommelwirbel für Biden
Schon wenige Stunden nach dem Amtsende Donald Trumps waren die USA kaum wiederzuerkennen: Etliche Verfügungen des 45. Präsidenten wurden von der Nummer 46 zurückgenommen. Und das war erst der Anfang.
Die in den USA üblichen Volksfeste anlässlich der Angelobung eines neuen Präsidenten fielen heuer wegen der Corona-Pandemie aus – an deren Stelle traten virtuelle Darbietungen (Bild: junge Percussionisten in Louisiana). Unterdessen nahm Joe Biden seine Amtsgeschäfte auf. Er steht an der Spitze der vielfältigsten Ministerriege der US-Geschichte.
Zwei Büsten stehen jetzt neben dem Kamin im Oval Office: Martin Luther King und John F. Kennedy. Der Bronzeschädel des Bürgerrechtspredigers, den auch Donald Trump nicht aus seinem Büro verbannte, soll Joe Biden offenbar an seine Anfänge erinnern. In New Castle war er einst in den Gemeinderat gewählt worden, weil er schwarzen Bewohnern der Kleinstadt in Delaware das Gefühl vermittelt hatte, dass er sich ihrer Probleme annehmen werde.
Die Bilder aus den Südstaaten, knüppelnde Polizisten im Einsatz gegen afroamerikanische Bürgerrechtler, waren Biden als Teenager dermaßen unter die Haut gegangen, dass er überhaupt erst eine politische Karriere anstrebte. Und die Nähe zu Kennedy, wie Biden ein Praktiker der politischen Mitte, stellt er immer wieder heraus. Nicht zuletzt wegen der gemeinsamen irischen Wurzeln und der Tatsache, dass JFK der erste Katholik im Oval Office war. Biden ist nun der zweite.
Neue, alte Möblierung
Auch Franklin D. Roosevelt ist neuerdings vertreten im wichtigsten Raum des Weißen Hauses. Auf einem Gemälde. Weichen musste Andrew Jackson, der populistische Präsident der 1830er-Jahre. Der blaue Teppich, der den sandfarbenen Trumps ersetzt, lag schon einmal im Oval Office, nämlich zu Zeiten Bill Clintons. Das Arbeitszimmer also wurde neu dekoriert – übrigens an nur einem Tag.
Mit einem administrativen Kraftakt hat Biden auch die politische Renovierung in Angriff genommen. Am Donnerstag unterzeichnete er ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Corona-Krise. „Amerika verdient eine Antwort auf die Covid-Pandemie, die von der Wissenschaft, von Daten und der öffentlichen Gesundheit bestimmt wird, nicht von der Politik“, ist zu lesen. Wobei sich das englische Original, „politics“, vielleicht treffender mit „politische Spielchen“übersetzen ließe.
Bereits am Mittwoch, sechs Stunden nach seiner Vereidigung, hatte Biden 17 Anweisungen unterschrieben. Ein Blitzstart. Bei Trump waren es vor vier Jahren gerade einmal zwei Dekrete gewesen, bei Barack Obama kein einziges. „Ich glaube, angesichts der Lage, in der sich die Nation heute befindet, haben wir keine Zeit zu verlieren“, so Biden.
Der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen ist rückgängig gemacht, laut Prozedere dauert es nun 30 Tage, ehe der Wiedereintritt besiegelt werden kann.
Außerdem werden die USA wieder Mitglied der Weltgesundheitsorganisation WHO. Schon Donnerstag sollte der Topinfektiologe Anthony Fauci an einer ihrer Krisensitzungen teilnehmen. In allen US-Bundesgebäuden müssen fortan Schutzmasken getragen werden, ebenso in Flugzeugen, Fernbussen und Zügen. Auch der Staatschef wird mit MundNasen-Schutz am Schreibtisch sitzen – für Trump eine Zumutung.
Ein Erlass, der Bürgern mehrerer islamisch geprägter Länder die Einreise verbietet, gilt nicht mehr. Der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko ist gestoppt, die Genehmigung für die Fertigstellung der umstrittenen Pipeline Keystone XL widerrufen. Menschen, die de facto, aber nicht de jure Amerikaner sind, nachdem sie im Kindesalter mit ihren Eltern illegal über die Südgrenze kamen, müssen nicht mehr befürchten, abgeschoben zu werden. Und die „1776 Commission“wird eingestellt. Laut Trump sollte sie dafür sorgen, dass an den Schulen ein „patriotisches“Geschichtsbild vermittelt wird.
Bessere Medienkontakte
Am Mittwochabend trat dann Jennifer Psaki in den Briefing Room und versprach, sich fortan an jedem Wochentag den Fragen der Journalisten zu stellen. Neu ist das nicht, nahezu tägliche Pressekonferenzen gab es schon unter Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama. Vor der Trump-Zeit war sie Kommunikationsdirektorin, davor Sprecherin des Außenministeriums. Nun kehrt sie zurück auf die große Bühne, als Pressesekretärin des Präsidenten.
Die 42-Jährige aus Connecticut beherrscht die Kunst, den Dingen einen Dreh zu geben, der die Regierung in möglichst günstigem Licht dastehen lässt. Doch sie hat auch etwas zutiefst Symbolisches, die Rückkehr zur alten Routine: Unter Trump gab es zuletzt kaum noch Briefings, und wenn, dann konzentrierte sich Kayleigh McEnany darauf, der Presse feindselige Absichten zu unterstellen. „Es wird Zeiten geben, in denen wir nicht einer Meinung sind“, sagt Psaki, nachdem sie die Kehrtwende zur Normalität angekündigt hat. „Aber das ist okay.“