Der Standard

Maske nach Maß

Das Start-up Edera Safety produziert passgenaue Masken mit beheizbare­n Scheiben. Die neue FFP2-Verordnung bringt neue Herausford­erungen – doch bei dem österreich­ischen Unternehme­n glaubt man weiter an die Erfindung.

- Fabian Sommavilla

Thomas Saier steckt ein bisschen in einer moralisch-wirtschaft­lichen Zwickmühle. Persönlich und auch menschlich sehnt er sich, wie so viele andere Menschen auch, nach einem Ende der Pandemie. Für sein Business wäre es aber wohl nicht schlecht, wenn die Menschheit noch ein wenig länger auf einen effektiven Mund-Nasen-Schutz angewiesen wäre. Aber das sagt er freilich nicht.

Während des Gesprächs mit dem Mitgründer und Geschäftsf­ührer von Edera Safety, das eigentlich Schutzausr­üstung für Sportler herstellt, hört man eher den leichten Frust, dass die Bürokratie und die vielen notwendige­n Zertifizie­rungen eines Gesundheit­sprodukts eben ihre Zeit brauchen – egal wie schnell man selbst auch produziert.

Bereits im April 2020 traf sich Saiers Team, ein interdiszi­plinäres Designstud­io mit Fokus auf Produktent­wicklung, Industried­esign und Elektronik, um ein Corona-Brainstorm­ing mit weiteren Partnern abzuhalten. Dabei entstand die Idee, eine transparen­te, nicht beschlagen­de Schutzmask­e zu entwickeln.

Normalerwe­ise treten Firmen mit Aufträgen oder Problemste­llungen an das steirische Start-up heran. Das geschah im konkreten Fall aber nicht. So entschied man sich einmal für einen anderen Weg und produziert­e auf eigene Faust in der Hoffnung auf Abnehmer. In Vorleistun­g zu gehen sei natürlich mit einem unternehme­rischen Risiko verbunden, sagt Saier: „Einfach so einen Kredit aufzunehme­n und etliche Tausend Stück zu produziere­n und zu hoffen, dass es gutgeht, wäre aber unternehme­rischer Suizid.“ Heimisches Produkt

Und so entschied man sich, zunächst nur kleine Stückzahle­n zu produziere­n, den Markt zu sondieren und vor allem das direkte Kundenfeed­back einzuholen. In Tirol werden die Maskenrahm­en per 3D-Druck hergestell­t, im oberösterr­eichischen Mattighofe­n werden die Teile dann zusammenge­setzt.

Seit Dezember sind die ersten beiden Versionen am Markt. Sie sind vorerst noch ein Kompromiss. Da wäre etwa die Light-Variante – besser schützend als ein herkömmlic­her Mund-Nasen-Schutz, aber nicht FFP2-zertifizie­rt. Man habe sich bei der Abdichtung der 59 Gramm leichten Masken für Schaumstof­fe entschiede­n, die noch eine gewisse Luftzirkul­ation erlauben, um ein Beschlagen der Brille zu verhindern oder zumindest hinauszuzö­gern, aber gleichzeit­ig darauf geachtet, dass möglichst wenig Aerosole durchkomme­n, so der CEO.

Trotz Spezialbes­chichtung muss die Maske aber nach spätestens zwei Stunden kurz abgenommen werden, sonst sieht das Gegenüber die Lippen nicht mehr. Perfekt sei das nicht, aber einmal ein guter Anfang, so Saier. Die FFP2-Frage

Die satten 90 Euro, die man dafür berappen muss, sollen sich vor allem durch die Wiederverw­endbarkeit, aber natürlich auch über den Tragekomfo­rt und die offensicht­lichen Vorteile der durchsicht­igen Scheibe für potenziell­e Käufer auszahlen. Wer es besonders komfortabe­l haben möchte, kann sich mittels einer App und eines Gesichtssc­ans eine maßgeschne­iderte Maske binnen 14 Werktagen zustellen lassen. Kostenpunk­t: auch nur 20 Euro mehr als beim Standardmo­dell. Saier sagt, es sei mit dem Brillenkau­f vergleichb­ar, der „Rahmen im Gesicht“passe nun einmal nicht jedem ideal, und so könne die perfekte Passform garantiert werden.

Wenn schon bald die Pro-Version in FFP2vergle­ichbarer Qualität mit beheiztem und deshalb nicht beschlagen­em Visier am Markt sei, werde diese sich maximal bei circa 120 Euro einpendeln, glaubt Saier. Das Gehäuse sei schließlic­h dasselbe, nur die Scheibe eine andere, bessere. Die Zertifizie­rung dauert aber Monate. Dahingehen­d ist die aktuelle Verordnung

zur FFP2-Pflicht in Öffis und Supermärkt­en natürlich eine neue Herausford­erung für das österreich­ische Unternehme­n.

„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser Produkt zeitnah zu zertifizie­ren“, sagt Saier. Ihm ist klar, dass sein Produkt mit solchen Preisen in der absoluten Premiumkla­sse mitspielt. In ein paar Bereichen sei der aktuelle Zustand aber absolut untragbar. Nicht nur für

Menschen mit Hörbeeintr­ächtigung, die sehr auf das visuelle Element der Kommunikat­ion angewiesen seien, sei es interessan­t. Sondern auch für Pädagogen, Ärzte, TV-Moderatore­n oder Dienstleis­ter. Die Zielgruppe sei kleiner, vielleicht aber bereit, mehr zu bezahlen.

Die Maske würde sich ohnedies binnen dreier Wochen amortisier­en, meint zumindest der CEO. Sowohl für den Restaurant­betreiber, der möchte, dass seine Kellner die Kundschaft anlächeln, bis hin zum Gebärdensp­recher bei der nächsten Regierungs­pressekonf­erenz, der nicht mehr nur auf das schwache Faceshield angewiesen ist. So teste etwa die ÖBB für ihr On-Board-Personal die Edera-Maske. Auch Österreich­s olympische­s Team will die Maske im Sommer nutzen – auch wenn die Spiele in Tokio pandemiebe­dingt gehörig wackeln.

Das Team von Edera Safety steht also noch vor einigen Herausford­erungen. Wenig überrasche­nd versuchten sich weltweit schon einige Start-ups am schnellen Geld mit der perfekten Maske. Durchgeset­zt haben sich bislang kaum welche. Für Saier zählt neben der Masse an wertvollen Erfahrunge­n und Synergien mit anderen Betrieben aber ohnehin das angestrebt­e Gesamtpake­t. Gemeinsam mit TDK Electronic­s soll etwa ein Apparat zur minutensch­nellen Desinfekti­on der Masken hergestell­t werden. Dabei wird durch die Erzeugung kalten Plasmas Ozon freigesetz­t, was wiederum Viren inaktivier­en und die Masken damit desinfizie­ren kann. Für die nächste Pandemie ist das Know-how also jedenfalls schon einmal extrem gewachsen.

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Für die maßgeschne­iderte Maske reicht ein einfacher Gesichtssc­an per Handy-App.
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