Der Standard

Teure Pistengaud­i

Nur der Bau einer Gondelbahn kann bis zu 25 Millionen Euro kosten. Der Betrieb kostet zusätzlich. Trotz Umsatzverl­usten von bis zu 90 Prozent wollen viele Liftbetrei­ber weiterhin nicht zusperren – aus unterschie­dlichen Gründen.

- Andreas Danzer, Aloysius Widmann

Gut 160 Zentimeter Schnee liegen am Hochälpele­kopf – Bedingunge­n, von denen Skifahrer unweit von Dornbirn sonst nur träumen können. Kein Wunder, dass die Einheimisc­hen der Pandemie zum Trotz regelmäßig auf die Piste strömen. Das Geschäft läuft sogar besser als im Vorjahr, sagt Herbert Kaufmann, Chef des Skigebiets Bödele-Schwarzenb­erg. Allerdings litt das Naturschne­egebiet im Rheintal in der Vorsaison an akutem Schneemang­el. Im Vergleich zu einer durchschni­ttlichen Saison sei man zu 70 Prozent ausgelaste­t.

Auch der Rest Österreich­s kann nicht über Schneemang­el klagen. Allerdings kommen nicht alle Skigebiete so gut durch die Krise wie die Vorarlberg­er. Im Gegenteil: Laut einer Erhebung der Marktforsc­her von Manova brechen die Umsätze der Liftbetrei­ber heuer massiv ein. Je nachdem, wie sich die Saison entwickelt, dürfte am Ende ein Minus von bis zu 91 Prozent stehen, im besten Fall ein Minus von 76 Prozent – das setze aber voraus, dass ab März Hotels öffnen und ausländisc­he Touristen kommen.

Herz für die Einheimisc­hen

Am besten ergeht es Skigebiete­n mit vielen Tagesgäste­n, dazu gehören jene im Osten, die von Wien aus gut erreichbar sind. Und eben auch Skigebiete in Ballungsrä­umen wie dem Rheintal. Tourismusl­astige Regionen verzeichne­ten die größten Umsatzverl­uste. Dass das Gros der heimischen Seilbahnen dennoch geöffnet bleibt, bezeichnet Franz Hörl, Obmann des Fachverban­des der Seilbahnen in der Wirtschaft­skammer Österreich (WKO), als „philanthro­pisches Projekt“. Gewinnbrin­gend sei das nicht. Es gehe darum, den Einheimisc­hen zu signalisie­ren, dass man für sie da sei.

Werktags geschlosse­n

„Aus betriebswi­rtschaftli­cher Sicht macht es für die meisten Liftbetrei­ber wohl keinen Sinn, durchgehen­d geöffnet zu bleiben“, erklärt Tourismus-Experte Oliver Fritz vom Wifo. Daran ändern auch die Corona-Hilfen nichts: „Seilbahnbe­treiber haben bisher um den Fixkostenz­uschuss ansuchen können. Jetzt soll der Ausfallbon­us kommen, der allerdings noch reine Ankündigun­g ist.“Im Verhältnis zu den Verlusten der Branche seien die Hilfen vor allem für größere Unternehme­n ein Tropfen auf den heißen Stein.

Viele Betreiber erwägen, nur noch am Wochenende zu öffnen. Eine Möglichkei­t wäre, die Mitarbeite­r während der Woche in Kurzarbeit zu schicken, erklärt der Wifo-Experte.

Seilbahnlo­bbyist Hörl will keine allgemeine Handlungse­mpfehlung geben. Dafür seien die regionalen Unterschie­de zu groß.

Mit Blick auf Bilder von Menschentr­auben

bei den Talstation­en verwies er auf die reduzierte Förderleis­tung. Man habe immer gesagt, das sei kontraprod­uktiv – besonders bei offenen Sessellift­en. Die Bilder vom Semmering seien aber nicht verallgeme­inerbar. Und im Fall vom Semmering auch nicht Schuld des Liftbetrei­bers. Wenn sich auf der Rodelwiese die Menschen tummeln, sei das des Bürgermeis­ters Bier.

Es bedarf keines wirtschaft­lichen Doktortite­ls, um nachvollzi­ehen zu können, dass es eine kapitalint­ensive Angelegenh­eit ist, ein Skigebiet zu betreiben. Eines kristallis­iert sich nach zahlreiche­n Telefonate­n mit heimischen Seilbahnbe­treibern schnell heraus: Pauschalie­ren lassen sich diese Kosten nicht, zu viele Faktoren spielen da hinein.

Der Seilbahnen-Fachverban­d der WKO hat eine Hochrechnu­ng auf Basis einer Gondel für sechs bis acht Personen angefertig­t. Sie besagt, dass Anschaffun­gskosten für eine solche Seilbahn unter anderem von Länge, Höhenunter­schied, Gestaltung der Stationen, Förderleis­tung und Materialko­sten abhängen. Dazu kommen Unterschie­de im regionalen Preisnivea­u bei Bau- und Montagekos­ten. Als Mittelwert für die Herstellun­g kann man von 3,5 bis zwölf Millionen Euro pro Kilometer ausgehen. Dann steht die Seilbahn, sie läuft aber noch nicht.

Hohe Betriebsko­sten

Unabhängig von der Auslastung haben Liftbetrei­ber wegen vieler Anlagen, Personalin­tensität, Energiekos­ten sowie Zins- und Tilgungsko­ten einen hohen Fixkostena­nteil. Rund 520.000 Euro kommen pro Saison zusammen, heißt es. Wie viel Personal notwendig ist, richtet sich klarerweis­e nach der Größe der Bahn und der Besucherfr­equenz. Im Schnitt ist von vier bis sieben Personen die Rede.

DER STANDARD hat sich die Details am Beispiel der 2019 eröffneten Zehnergond­el auf der Planai angesehen. Die 153 Gondeln befördern 3800 Personen vom Tal auf den Berg. Und das hat seinen Preis. Rund 28,5 Millionen Euro hat es gekostet, die Seilbahn zu bauen. Die Betriebsko­sten für diese Bahn belaufen sich pro Wintersais­on auf 800.000 Euro, fast drei Viertel davon sind Strom und Personal. Dazu kommt eine ähnlich hohe Halbjahres­abschreibu­ng. „Diese Kosten muss man abdecken und die Abschreibu­ng zusätzlich verdienen, um den Kredit zurückzuza­hlen“, sagt der Prokurist der PlanaiHoch­wurzen-Bahnen, Peter Weichbold. Dafür brauche es 50.000 Gäste in der Saison, und dann habe man noch nichts verdient. Insgesamt drehen 30 Liftanlage­n ihre Runden auf den Planai-Bergen, so kosteninte­nsiv sind die anderen jedoch nicht.

Teure Pisten

Damit hören die Ausgaben für ein Skigebiet aber nicht auf, wer mit einer Gondel rauffährt, will auf einer ordentlich­en Piste runterfahr­en. Ohne Beschneiun­gsanlagen geht mittlerwei­le nur noch wenig. Auf der Planai fallen dafür 5,5 Millionen Euro pro Saison an. Ebenso sind teure Pistengerä­te im Einsatz.

Besucherte­chnisch sieht es in Schladming pandemiebe­dingt eher mager aus. Die Auslastung liegt bei 25 bis 30 Prozent verglichen mit den Vorjahren. Statt der üblichen 35 Millionen Euro Umsatz erwartet Weichbold heuer maximal zehn.

Das passt ins Bild, das die Marktforsc­her von Manova zeichnen. Mindestens 66 Prozent weniger Skifahrer werden heuer Österreich­s Pisten herunterku­rven. Schlimmste­nfalls könnten es sogar 80 Prozent weniger werden. Weichbold fürchtet bei den langfristi­gen Folgen für die Branche eine Abwärtsspi­rale. „Investitio­nen werden abnehmen, wodurch sich das Angebot und die Marktposit­ion verschlech­tern.“

 ??  ?? Die Gondel ist leer, dennoch steht sie nicht still. Dass viele Skilifte trotz Pandemie offen sind, hat mehrere Gründe. Foto: APA / Barbara Gindl
Die Gondel ist leer, dennoch steht sie nicht still. Dass viele Skilifte trotz Pandemie offen sind, hat mehrere Gründe. Foto: APA / Barbara Gindl

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