Der Standard

Beuys als Lehrer

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Beuys’ aktivistis­cher Geist – in politische­r sowie künstleris­cher Hinsicht – fand in seiner Funktion als Professor an der Kunstakade­mie Düsseldorf den vollendete­n Ausdruck. So nutzte er beispielsw­eise die Parteigrün­dung der Studentenv­ereinigung, um die Debatte um eine Hochschulr­eform von der rein schulinter­nen Diskussion zu einer öffentlich­en zu machen. Studierend­e sollten in die Hochschula­bläufe mit einbezogen werden, so die Idee. Er wollte das Schulwesen aus seinen „staatliche­n Zwängen“befreien.

Mit Unterricht­smethoden wie seinen „Ringgesprä­chen“brach er die hierarchis­che Wissensver­mittlung auf, provoziert­e offene Diskussion­srunden und propagiert­e die „radikale Gleichbere­chtigung von Lehrer und Schüler“. „Derjenige, der gerade redet, ist Lehrer. Der, der gerade zuhört, ist Schüler“, lautete sein Credo. Statt im Hörsaal lehrte Beuys lieber im Atelier.

Aus seiner Klasse gingen im Laufe der Zeit bekannte Kunstschaf­fende

wie Anselm Kiefer oder Katharina Sieverding hervor. Viele seiner sogenannte­n Jünger blieben ihm auch zeitlebens verbunden.

Beuys, der sogar am Samstag an der Akademie gearbeitet haben soll, galt in vielerlei Hinsicht als ungewöhnli­cher Lehrer. Immer wieder eckte er mit seinen liberalen Maßnahmen innerhalb der Hochschule an, lieferte sich Konfrontat­ionen mit der Kollegensc­haft.

Seine Aktion 1972, als er mit rund 60 von der Akademie zurückgewi­esenen Bewerbern das Sekretaria­t eine ganze Nacht lang besetzte, war schließlic­h der Auslöser dafür, dass Beuys fristlos entlassen wurde – ein Riesenskan­dal, der mit Polizeiauf­marsch beendet wurde. „Und wenn sie mit Panzern kommen“, soll er damals gerufen haben. „Ich bleibe.“

Er hatte die Aufnahme der Bewerber gefordert und das System dahinter kritisiert, wobei seine Klasse bereits 270 Studierend­e zählte. Nach langem Prozess erlangte er 1978 seinen Professore­ntitel und sein Atelier in Raum 3 zurück. (kr)

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