„Seid ihr nicht auch Influencer?“
„Vogue“, „Glamour“, „AD“, „GQ“: Jessica Peppel-Schulz leitet die Luxusmediengruppe Condé Nast in Deutschland. Sie spricht über digitale Versäumnisse und das Verhältnis von Journalismus und Geschäft.
„Wir müssen Journalismus und Werbung weiter stark trennen.“
Die noch immer klingenden Luxusmedienmarken von
Vogue bis AD will das US-Medienhaus Condé Nast künftig überregional zusammenführen. Dafür hat der traditionsreiche Konzern seit 2020 erstmals einen weltweiten CEO und nun auch erstmals eine Europa-Chefin, die Spanierin Natalia Gamero del Castillo.
Für die Deutschland-Chefin Jessica Peppel-Schulz (51) könnte das bedeuten, dass ihr Job das Jahr 2021 nicht übersteht, spekulieren deutsche Branchendienste.
STANDARD: Der Verlag des Luxusmagazins „Vogue“im großen Markt Deutschland in tiefroten Zahlen: Das wäre vor einigen Jahren noch ziemlich schwer vorzustellen gewesen. Wie kommt es dazu?
Peppel-Schulz: Das war natürlich vor meiner Zeit. Ich bin im Frühjahr 2019 gekommen, um genau das zu ändern. Die hohen Verluste haben sich über einige Jahre angesammelt. Die vorherige Führung hat in Deutschland das Thema Digital total vernachlässigt – auch um aus diesen starken Marken heraus neue digitale Geschäftsmodelle zu schaffen. Die Leidenschaft für große Printmagazine hat auch für Stillstand gesorgt. Man hat versucht, die Printumsätze zu retten. Aber auch das nicht konsequent genug.
STANDARD: Die Werbeerlöse werden Sie vermutlich auch mit digitalen Angeboten nicht zurückholen – die sind bei Google, Facebook und Co.
Peppel-Schulz: Wir haben unsere digitalen Reichweiten 2020 sehr deutlich um über 40 Prozent über alle Marken hinweg gesteigert. Aber ja, wir werden nur mit Digital nicht aufholen können, was wir an Printumsätzen einbüßen. Aber Digital plus weitere Geschäftsmodelle – das ergibt auf Sicht ein profitables Geschäft.
STANDARD: Eine britische Zeitungsjournalistin berichtete auf Twitter von ihren Erfahrungen mit einem Kosmetikunternehmen. Sie wollte über deren Produkte redaktionell berichten und wurde vom Unternehmen aufgefordert, eine „Influencer-Genehmigung“zu beantragen. Drehen sich da gerade die Verhältnisse um?
Peppel-Schulz: In dieser disruptiven Welt brauchen Unternehmen immer mehr ein Umfeld, das ihren Marken gerecht wird, und sind entsprechend vorsichtig geworden. Vertrauen ist ein relevanter Schlüssel, ebenso Nähe zum Konsumenten. Das ist ein ganz entscheidender Vorteil von solch starken Medienmarken wie unseren. Wir werden schon auch gefragt: Seid ihr nicht auch Influencer? Grundsätzlich richtig, aber wir bieten unseren Industriepartnern vor allem auch ein sicheres Umfeld für die Platzierung ihrer Marke.
STANDARD: Das Unternehmen sagt mit dem Influencer-Check aber doch aus: Du darfst nur über uns – redaktionell – berichten, wenn du nett bist.
Peppel-Schulz: Das darf nicht passieren. Wir müssen sehr darauf achten, Journalismus und Werbung weiter stark zu trennen. Journalismus muss frei, unabhängig und kritisch berichten dürfen. Und natürlich leben auch wir stark von Werbung. Aber Journalismus ist der Kern von Condé Nast. Wir sind mit Medienmarken wie Vogue oder AD seit über 100 Jahren eine Autorität. Unabhängigkeit und Freiheit haben höchste Relevanz für uns, Vertrauen ist unser wichtigstes Gut. Das wissen auch unsere Industriepartner sehr gut.
STANDARD: Kollegen aus dem Lifestylebereich berichten vom Unmut von PR-Agenturen, die „Vogue“würde redaktionell jene Marken bevorzugen, die Werbung schalten.
Peppel-Schulz: Das höre ich zum
ersten Mal.
STandard: Condé Nast hat mit Roger Lynch erstmals einen globalen CEO, verantwortlich für alle LänderAktivitäten. Was bedeutet das?
Peppel-Schulz: Er führt Condé Nast global enger zusammen und macht eine weltweit führende Medienmarke noch stärker. Auch um Synergien wie Content-Syndizierung für die bisher sehr heterogen geführten Medienmarken so besser nutzen.
STANDARD: Condé Nast installierte mit der Spanierin Natalia Gamero del Castillo erstmals eine Europa-Chefin – was bedeutet das für die Aktivitäten in Deutschland? Branchendienste interpretieren das als Ablaufdatum für Sie und Ihre Funktion als DeutschlandCEO, sie spekulieren über Ihren Abgang noch im ersten Halbjahr 2021.
Peppel-Schulz: Ich teile diese Vision eines integrierten und leistungsstarken Condé Nast in Europa voll und ganz, da ich selbst von Anfang an ein Treiber dieser Transformation bin. Es ist der richtige Weg. Die deutsche Transformation, mit der wir in kurzer Zeit schon sehr viel bewegt und erreicht haben, werde ich entsprechend weiter vorantreiben und das Team bei dieser Transition als CEO begleiten.
Über den Abgang ihrer „Vogue“Chefin und Neid auf Foodtitel wie den „Falstaff“: derStandard.at/Etat