Der Standard

Alles muss für alle gelten

- Petra Stuiber

Österreich hat eine ausgewachs­ene Corona-Jänner-Depression. Es ist wohl nicht übertriebe­n, das zu behaupten. Ob in der Apotheke, im Supermarkt oder beim Video-Call: Viele Köpfe hängen derzeit tief, der Satz „Es dauert schon viel zu lange“ist ein geflügelte­s Wort. In einer solchen Stimmung erzeugen Geschichte­n über Bürgermeis­ter, die sich Impfvortei­le verschaffe­n, ungefähr denselben Effekt wie ein Tropfen Wasser auf heißes Öl. Es zischt gewaltig.

Man erzählt sich auch, dass lokale Ortskaiser beileibe nicht die Einzigen seien. Man munkelt, dass es da und dort die Impfung sofort für so und so viel Euro bar auf die Hand gebe, dass „Vitamin B“die Wartezeit auf Impfungen drastisch verkürze. Dieser giftige Gerüchtebr­ei mischt sich mit den Erfahrunge­n der eigenen betagten Verwandten, die noch immer keine FFP2-Masken zugeschick­t bekamen, wird gewürzt mit Erzählunge­n über Lücken bei Testungen in Altersheim­en, Schulen, etc . ... Am Ende stehen Verdruss und Skepsis gegenüber dem Pandemie-Management der Regierung – und wachsende Unlust, selbst die Pandemie-Regeln akkurat einzuhalte­n.

Für die Politik ist das brandgefäh­rlich, denn mit dieser negativen Einstellun­g wird das Durchhalte­n in diesem und in möglichen weiteren Lockdowns bis zum Sommer – oder bis zu einer halbwegs sicheren Durchimpfu­ngsrate – schwierig. Insofern ist es unverständ­lich, dass der Bundeskanz­ler die vordrängel­nden Bürgermeis­ter zwar verurteilt, die Verantwort­ung für deren Tun aber wieder den Ländern zuschiebt.

Wenn es schwierig wird, ist es mit dem neuen „nationalen Schultersc­hluss“offenbar gleich wieder vorbei. Föderale Autonomie hilft hier nicht. Es braucht einheitlic­he Regeln, die überall und für alle gleich gelten.

Schon das Vormerksys­tem fürs Impfen weist gravierend­e Unterschie­de auf. In einem Bundesland kann man Risikofakt­oren angeben, im anderen nicht, im dritten nur beim Arzt. Vormerkzei­träume variieren je nach Alter und Bundesland. Weitgehend ungeklärt ist, wer bei übriggebli­ebenen Dosen spontan geimpft werden darf – und wer noch länger warten muss. Dies alles muss detaillier­t und zentral geregelt werden.

Bund und Länder sollten ihre jüngst – bei der Verkündung der Lockdown-Verlängeru­ng – demonstrie­rte „Einheit“tatsächlic­h dafür nutzen. Und es gäbe noch wesentlich mehr Themenfeld­er, wo österreich­weit derselbe Standard geschaffen werden muss: etwa bei der Verteilung und Anordnung von Corona-Tests für bestimmte Berufsgrup­pen und in Schulen. Zudem muss es nachvollzi­ehbare, transparen­te und öffentlich einsehbare Grundsätze geben, wann krisengesc­hädigte Unternehme­n eine Förderung erhalten und wann nicht – inklusive Begründung der Förderents­cheidung.

Nur so werden die Menschen im Land das Gefühl bekommen, dass es trotz andauernde­r Krise wenigstens gerecht zugeht. Wenn das nicht gelingt, bekommen Verschwöru­ngstheoret­iker und Demagogen Oberwasser. Das wäre im Kampf gegen die Pandemie alles andere als hilfreich.

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