Der Standard

Wenig alltagstau­glich

- Irene Brickner

Anfang kommender Woche steht dem notorische­n Babyelefan­ten ein Wachstumss­chub ins Haus. Aus einem Meter Mindestdis­tanz von Mensch zu Mensch, um Infektione­n mit dem Coronaviru­s zu verhindern, werden im Rahmen der 3. Covid-19-Notverordn­ung zwei. Eine Maßnahme, die von Virologen, Infektiolo­gen und Epidemiolo­gen sehr begrüßt wird und die angesichts der Risiken, die von infektiöse­ren Virusmutat­ionen ausgehen, auch sinnvoll erscheint.

Das Problem ist nur: Im täglichen Leben wird der verdoppelt­e Mindestabs­tand oft nur schwer einzuhalte­n sein. In geschlosse­nen Räumen, in denen man laut der neuen Verordnung dann zusätzlich eine FFP2- oder höherwerti­ge Maske tragen muss, mag es noch gehen; die Boden-Distanzmar­ker vor den Supermarkt­kassen etwa können mit nur geringem Aufwand umgeklebt werden.

Doch wer nicht in einem Einfamilie­nhaus mitten auf dem Land residiert, sondern vor seiner Haustüre durchschni­ttlich belebte Straßen und Plätze vorfindet, der oder die weiß: Zwischen Hauswänden und geparkten Autos ist der Platz knapp bemessen. Durchgehen­d zwei Meter Abstand zwischen Passant und Passant sind hier Illusion, vor allem tagsüber. Auch die erlaubten Treffen mit einzelnen haushaltsf­remden Personen im Freien dürften über die vorgeschri­ebenen zwei Meter hinweg eher unattrakti­v sein.

Was aber ist der Sinn solch strenger Regelungen, die vielerorts gar nicht eingehalte­n werden können? Es gehe darum, den Menschen indirekt zu vermitteln, dass sie bis auf weiteres gar niemanden treffen und querdurch daheimblei­ben sollten, vermutet der Verfassung­srechtsexp­erte Bernd-Christian Funk. Wenn er recht hat, so dürfte die Ratlosigke­it der Regierung in der Pandemie eine neue Stufe erreicht haben – in Gestalt von schwarzer Pädagogik, über die Bande gespielt.

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