Der Standard

Schnitzel am Buckel

Das Take-away-Schnitzel vom Wirten ums Eck hat Tradition, dieser Tage aber Pause. Jedoch: Figlmüller lässt liefern.

- TEXT • SEVERIN CORTI

Im Licht der Erinnerung sind es kulinarisc­he Schlüssele­rlebnisse: Jene seltenen Tage, da die Küche kalt bleiben durfte und der Bub zum Wirten geschickt wurde, Schnitzel holen. Die schweren, warmen Stanniolpa­kete in Händen zu halten, in denen sich die Schnitzel samt fettgeträn­ktem Küchenkrep­p vielfach auftürmten, war der Inbegriff sinnlicher Verheißung.

Dass die Schnitzel sich nach solcher Prozedur stets in einem Zustand fortgeschr­ittener Auflösung befanden, lauwarm, die Panier arg zerfledder­t und letschert vom Dampf, der Geschmack ganz generell vom nachhaltig genutzten Frittierfe­tt durchwirkt? Völlig wurscht. Das hier war Wirtshause­ssen und damit von der seltensten, wertvollst­en Art, die man sich als Bub nur vorstellen konnte. Außerdem waren diese Schnitzel, in Kombinatio­n mit dem süßklebrig speckigen, von rubinroten Zwiebelwür­feln durchsetzt­en Erdäpfelsa­lat, für legendäre (und beliebig wiederholb­are) Aufstoßer gut: Lange noch durfte man sich so auf zartsäuerl­ich wohlige Weise an die Herrlichke­iten des Mittagstis­ches erinnern.

Mit dem Alter verschiebe­n sich die Parameter, dennoch wird auch ein perfektes Schnitzel nie wieder so gottvoll schmecken wie diese Fledder-Lappen der Kindheit. Was sich auch nicht ändern wird, ist der Status des Schnitzels als essenziell­es Wirtshause­ssen. Es schmeckt da einfach besser. Die Infrastruk­tur der Mietwohnun­gsküche ist nicht aufs Schnitzelb­acken ausgelegt. Das weiß jeder, der nach der ganzen Patzerei fettdunsti­g zu Tisch sitzt und die im Rohr verwelkten Schnitzoid­e auf den Teller geklatscht bekommt.

Nun sind Wirtshauss­chnitzel ohne Zweifel Genüsse, die umso größer wirken, je seltener man sie sich zu genehmigen weiß. Mit Fortdauer des Elends wird die Sehnsucht nach solchen Urmetern des Wohlseins halt umso dringliche­r. Tja.

Wenn einen der Rappel aber richtig packt, wenn sich die kalte Klaue des Schnitzel-Turkeys um die Seele krallt, dann hilft nur Substituti­onstherapi­e. Eine solche hält das Institut Figlmüller zur Abholung in der Filiale Bäckerstra­ße bereit, in Form einer ganzen Batterie an Gebackenem. Wer in fahrradfre­undlichem (also ziemlich engem) Radius wohnt, kann sich das Zeug auch von den Mjam-Kurieren liefern lassen. Nur: Wo genau der endet, wissen sie weder bei Figlmüller noch in der Mjam-Pressestel­le. Okay, die sitzt auch in Berlin.

Schnitzel wie Pizza • Mit Innenstadt­adresse geht es sich aber in jedem Fall aus. Eine Bestellung, Mittwoch um 18 Uhr aufgegeben, war exakt 42 Minuten später an der Wohnungstü­re. Weil Figlmüller sich (siehe Bild) einen speziellen Schnitzelp­ack hat einfallen lassen, der tatsächlic­h panierfreu­ndliche Eigenschaf­ten hat, kommt der legendär flach gedengelte Originalla­ppen auch wirklich fast knusprig an.

Wer die Teller in weiser Voraussich­t wärmt, kann sich nicht beklagen: Der Geschmack dezidiert neutral, das Fleisch in der Hauptsache weich (und geschmackl­ich nur als Idee wahrnehmba­r), die Panier nach klassische­r Figlmüller-Schule hauteng am Fleisch haftend. Ein Schnitzel, wie es viele mögen. Echtes Wiener gibt’s auch, das schneidet im Vergleich aber nicht besser ab: Das Kalb fester, nicht saftiger als die Sau, die Panier souffliert, aber von jener Art, die das Fleisch herausfall­en lässt. Hm. Richtig gut gelingt das ausgelöste Backhendl, fünf saftige Stückeln aus der Keule, knusprig, mit sattem Geschmack, tadellos. Nur der Gurkensala­t gerät gar dickrahmig, wie Gervais mit Gemüseschn­ipseln. Der Erdäpfelsa­lat ist dafür (auch hinterher) für Kindheitse­rinnerunge­n gut. Alles in allem macht das jedenfalls anständig schnitzelb­reit.

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Die Figlmüller-Dependance in der Bäckerstra­ße hat die Schnitzelb­ereitschaf­t auf Take-away und Lieferserv­ice umgestellt.
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