Der Standard

Deutsches Urteil wegen syrischer Staatsfolt­er

Als neue Uno-Botschafte­rin in New York spielt Linda Thomas-Greenfield eine wichtige Rolle bei der Ausgestalt­ung der US-Außenpolit­ik.

- Frank Herrmann aus Washington

Laut deutscher Bundesanwa­ltschaft ist es weltweit das erste derartige Urteil: Wegen Staatsfolt­er in Syrien hat ein Gericht in Koblenz am Mittwoch den 44-jährigen Syrer Eyad A. zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Agent des syrischen Geheimdien­sts lebt mittlerwei­le in Deutschlan­d und war dort von geflüchtet­en Landsleute­n erkannt worden. Der Richterin zufolge hatte A. dazu beigetrage­n, Demonstran­ten des Arabischen Frühlings in ein Foltergefä­ngnis in Damaskus zu bringen.

Es ist erst sechzehn Monate her, da beschwor Linda ThomasGree­nfield die Möglichkei­ten amerikanis­ch-chinesisch­er Kooperatio­n. In einem Vortrag lobte sie China dafür, dass es Milliarden investiert­e, um die Infrastruk­tur afrikanisc­her Länder zu modernisie­ren. Würden Washington und Peking an einem Strang ziehen, sagte sie, wäre es ein „Win-win“– ein Miteinande­r, von dem der Kontinent nur profitiere­n könne.

Heute bezeichnet Thomas-Greenfield China als strategisc­hen Gegner, als „eine Bedrohung rund um den Globus“. Man wisse, dass sich die Chinesen auch der Vereinten Nationen bedienten, um für ihre autoritäre Agenda zu werben. „Ihr Erfolg hängt davon ab, ob wir uns weiter zurückzieh­en vom Weltgesche­hen. Und das wird in meiner Schicht nicht passieren.“

Posten im Kabinettsr­ang

Seit Mittwoch ist Thomas-Greenfield, vom US-Senat in Washington mittlerwei­le bestätigt, offiziell UNBotschaf­terin der Vereinigte­n Staaten. Der Posten hat Gewicht, bedeutet er doch, im Rang eines Kabinettsm­itglieds mit Präsident Joe Biden am Tisch zu sitzen, wenn im

Weißen Haus außenpolit­ische Entscheidu­ngen fallen.

Madeleine Albright hatte das Amt inne, bevor sie Außenminis­terin wurde; Susan Rice, bevor sie als Sicherheit­sberaterin in die Regierungs­zentrale wechselte. Auch George Bush, der 41. Präsident der USA, hat sein Land bei den Vereinten Nationen vertreten.

Angst vor Ku-Klux-Klan

Nun also Linda Thomas-Greenfield, 68 Jahre alt, aufgewachs­en in Baker, einer Kleinstadt in Louisiana, im tiefen Süden der USA, als Tochter eines Landarbeit­ers, der weder lesen noch schreiben konnte.

Ihr Wohnvierte­l, hat sie während der Anhörung in der Senatskamm­er erzählt, sei regelmäßig vom Ku-KluxKlan heimgesuch­t worden – von jenen berüchtigt­en und gefürchtet­en Kapuzenmän­nern, die auf den Grundstück­en afroamerik­anischer Bewohner Fackeln entzündete­n. Die Highschool, an der sie lernte, hatte noch den Regeln der Rassentren­nung zu folgen: Weiße und Schwarze durften nicht im selben Klassenzim­mer sitzen.

Als Thomas-Greenfield 1982 in den diplomatis­chen Dienst eintrat, sei sie „nicht die Norm“gewesen.

Die meisten, die mit ihr anfingen, hatten an einer Spitzenuni­versität der Ivy League studiert, sie dagegen „nur“an der Louisiana State University. 1994 entsandte man sie nach Ruanda, wo 800.000 Menschen einem Genozid zum Opfer fielen. Ein Mann, der sie für eine Tutsi hielt, habe sie töten wollen, blendete sie dieser Tage zurück. Sie sei dem Tod entkommen, weil sie ein Gespräch mit ihm angefangen habe.

George W. Bush, Präsident von 2001 bis 2009, machte ThomasGree­nfield zur Botschafte­rin der USA in Liberia. Unter Barack Obama (2009–2017) wurde sie Staatssekr­etärin, zuständig für Afrika. Unter Donald Trump (2027–2021) nahm sie ihren Hut, acht Monate nach dem Amtsantrit­t des Präsidente­n, der mit seinen „America first“-Parolen dem State Department (Außenminis­terium) einen rigiden Sparkurs verordnete. Nicht als Afroamerik­anerin, wohl aber als Expertin fühle sie sich ins Visier genommen, sagte Thomas-Greenfield damals zum Abschied.

So gesehen war das Hearing, das Examen, das jeder bestehen muss, dessen Nominierun­g der Senat bestätigen soll, nun auch eine Geschichts­lektion. Vor allem machte es deutlich, wie konfliktbe­laden Amerikas Verhältnis zu China auch unter dem 46. US-Präsidente­n Joe Biden sein wird.

Stundenlan­g ging es um die Frage, wie die USA ihrem aufstreben­den asiatische­n Rivalen begegnen sollen: kooperativ oder konfrontat­iv? Oder irgendwie in einer Mischung aus beidem? Damit ging es auch um den Vortrag, den ThomasGree­nfield im Oktober 2019 an einer Universitä­t in Savannah, Georgia, gehalten hatte. Organisier­t hatte ihn das lokale Konfuzius-Institut, eines jener Kulturinst­itute, die der Regierung in Peking unterstehe­n.

Fehler eingestand­en

Republikan­ische Senatoren nahmen den Auftritt im Nachhinein zum Anlass, um der Diplomatin Naivität vorzuwerfe­n. Washington und Peking, hatte sie damals geworben, könnten in Afrika durchaus zusammenar­beiten, um sich für gute Regierungs­führung, die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau und Rechtsstaa­tlichkeit einzusetze­n.

Heute spricht Thomas-Greenfield von einem Fehler und dem Versuch Chinas, sein Gesellscha­ftsmodell auch in Afrika zu verbreiten – worauf die USA reagieren müssten.

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 ??  ?? Unter den Präsidente­n George W. Bush und Barack Obama machte Linda Thomas-Greenfield Karriere. Jetzt, unter Joe Biden, ist sie wieder da.
Unter den Präsidente­n George W. Bush und Barack Obama machte Linda Thomas-Greenfield Karriere. Jetzt, unter Joe Biden, ist sie wieder da.

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