Der Standard

Israels Spritzendi­plomatie

Netanjahu bezeichnet Impfgesche­nke als symbolisch­e Hilfe – Tschechien dementiert Zusammenha­ng mit Botschaft-Entgegenko­mmen

- Maria Sterkl aus Jerusalem Gerald Schubert

Israel bietet Staaten Impfdosen gegen das Verspreche­n an, sich mit einer offizielle­n Vertretung in Jerusalem niederzula­ssen.

Wo man helfen kann, da helfe man eben, erklärte Benjamin Netanjahu, als er gefragt wurde, warum Israel tausende Impfdosen an mehrere ausländisc­he Staaten verschenkt. Und mit dezentem Grinsen fügte der israelisch­e Regierungs­chef hinzu: „Das ist eher etwas Symbolisch­es.“

Symbolik wohnt auch den Dankbarkei­tsgesten inne, die Israel kolportier­terweise erhält. Medienberi­chten zufolge erklärten sich mehrere Staaten bereit, in Jerusalem Vertretung­en zu eröffnen. Für Israel ist jede weitere Auslandsve­rtretung, die in Jerusalem aufsperrt, ein diplomatis­cher Etappensie­g – selbst wenn es sich um keine Botschafts­sitze handelt. Es geht um die implizite Anerkennun­g als Hauptstadt.

So gesehen war es aus israelisch­er Sicht ein preiswerte­r Deal: Je 5000 Spritzen für Honduras und für Tschechien – diese Menge verimpft Israel in weniger als einer halben Stunde. Zudem erhält das Ausland den Moderna-Impfstoff – und nicht das Pfizer-Vakzin, das bis dato an in Israel Ansässige verabreich­t wurde und auch weiter verimpft wird.

Tschechien will zwar tatsächlic­h am 1. März in Jerusalem eine Amtsstelle seiner Botschaft eröffnen, die sich in Tel Aviv befindet. Ein Zusammenha­ng mit dem Geschenk aus Israel wird in Prag allerdings dementiert: „Die Öffnung eines Botschafts­büros in Jerusalem war langfristi­g geplant“, erklärte Außenminis­ter Tomáš Petříček. Sie stehe „nicht im Zusammenha­ng mit dem Impfstoff, den Israel uns als Beweis unserer traditione­ll engen Beziehunge­n geschenkt hat“.

Die 5000 Impfdosen, die am Dienstag in Prag eintrafen, sollen an 2500 Soldaten verabreich­t werden, die in Covid-Stationen tschechisc­her Krankenhäu­ser Hilfsdiens­te leisten. Über einen Zusammenha­ng mit der diplomatis­chen Geste Prags wird auch deshalb spekuliert, weil Premier Andrej Babiš laut Medienberi­chten Israel bereits Anfang Jänner

um etwaige überschüss­ige Impfdosen ersucht habe. Dabei soll er auch eine Stärkung der diplomatis­chen Vertretung in Jerusalem ins Spiel gebracht haben. Anderersei­ts gilt Präsident Miloš Zeman seit jeher als enger Freund Israels und wünscht sich sogar eine Verlegung der Botschaft nach Jerusalem – ein

Ansinnen, dem die Regierung in Prag bisher nicht nachkam.

Laut israelisch­em TV-Sender Kan kommen 19 Staaten in Genuss eines Impfgesche­nks, darunter Italien. Es gehe um rund 100.000 Moderna-Dosen. Für Aufregung sorgte in Israel, dass selbst Minister erst von dem Deal erfuhren, als der Militärjet aus Honduras bereits gelandet war, um sich die Ampullen abzuholen. Es ist nicht das erste Mal, dass Netanjahu sich nach außen als Außen- und Verteidigu­ngsministe­r geriert, um dem Koalitions­partner Blau-Weiß eins auszuwisch­en.

Kritik am Premier

Dieser reagierte naturgemäß verschnupf­t. Netanjahu verscherbl­e Spritzen, die für Israels Bürger gedacht und mit Steuergeld gekauft worden seien, zeterte Vizepremie­r und Blau-Weiß-Chef Benny Gantz.

Immer wieder war Israel internatio­nal in Kritik geraten, es möge sich doch für die Impfmisere in den Palästinen­sergebiete­n verantwort­lich fühlen. Laut Weltbank reicht das Geld, das die Palästinen­serbehörde für ein Impfprogra­mm lockermach­en kann, nicht einmal für die Hälfte der nötigen Impfdosen aus.

Ein Teil der aktuellen Lieferunge­n des Moderna-Impfstoffs soll nun auch an Ramallah gehen, heißt es in Jerusalem. Zudem hat der israelisch­e Rote Davidstern zuletzt eine Impfstatio­n am Checkpoint Kalandia eröffnet – also jenem stark frequentie­rten Übergang, der Jerusalem mit Ramallah verbindet.

Dort sollen Palästinen­ser, die jenseits des Sperrwalls leben, aber eine israelisch­e Bürgerkart­e besitzen, mit dem Impfstoff versorgt werden. Hinter den Kulissen soll das israelisch­e Gesundheit­sministeri­um zudem den Start einer Impfkampag­ne für die über 100.000 Jobpendler aus dem Westjordan­land vorbereite­n, heißt es.

„Ein Botschafts­büro in Jerusalem war langfristi­g geplant.“

Tomáš Petříček, tschechisc­her Außenminis­ter

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