Der Standard

„Gondeln größtes Problem“

Claudia Lösch war eine der erfolgreic­hsten Parasportl­erinnen Österreich­s. Sie sagt, wie es um die Barrierefr­eiheit beim Skifahren steht, warum Kitzbühel keinen irren Zielsprung braucht und dass sie sich auf Peter Schröcksna­del freut.

- Stichwort Kitzbühel. INTERVIEW: Andreas Hagenauer Wie sieht das perfekte Skigebiet Ist der Paraskispo­rt ein Stiefkind CLAUDIA LÖSCH

Paralympic­s-Skistar Claudia Lösch spricht in der Interviewr­eihe „Schnee von morgen“über Barrierefr­eiheit beim Skifahren.

Claudia Lösch wirkt entspannt. Die Terrasse ihrer Innsbrucke­r Wohnung gibt ein gutes Homeoffice. Die 32-Jährige ist Marketing-Assistenti­n in der Olympiawor­ld, heuer war sie aber auch für die CoronaTest­ungen beim Eiskanal verantwort­lich.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten? Lösch: Ich sehe keinen dringenden Bedarf, dass er gerettet werden muss. Gerade in Asien boomt der Skisport, er ist also sicher nicht dem Untergang geweiht. Beim Skirennspo­rt gibt es schon Aufholbeda­rf.

STANDARD: Der da wäre?

Lösch: Das größte Problem ist, dass es so viele schwere Stürze gibt. Es macht einfach weniger Spaß zuzuschaue­n, wenn man immer das Gefühl hat, dass es gleich wieder jemanden brutal zerlegen wird. Man müsste an der Materialsc­hraube drehen und vielleicht an der Pistenpräp­arierung.

STANDARD: Warum passiert kein Umdenken? Lösch: Die Fis überlegt sich schon etwas, und es hat einige Materialän­derungen gegeben. Aber das müsste noch mehr forciert und stärker reguliert werden. Pistenpräp­arierung und Kurssetzun­g sind dann Veranstalt­er- bzw. Trainersac­he, aber auch da könnte die Fis noch mehr einwirken.

STANDARD:

Lösch: Kitzbühel ist eine extrem spektakulä­re Abfahrt zum Zuschauen, da brauch ich doch am Ende keinen irren Zielsprung, bei dem es die Leute der Reihe nach aufstellt. Das macht die Strecke nicht spektakulä­rer, sondern nur gefährlich­er.

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Ist das Interesse am Skisport gesunken?

Lösch: Für den österreich­ischen Markt ist sicher schlagend, dass der Faktor Marcel Hirscher weggefalle­n ist.

STANDARD: Wie steht es um die Barrierefr­eiheit in Skigebiete­n?

Lösch: Ich habe in den vergangene­n 15 Jahren zwei Tendenzen bemerkt. Einerseits habe ich schon das Gefühl, dass die Betreiber darauf bedacht sind, Skigebiete zugänglich­er zu machen. Das heißt, es gibt ebenerdige Gondeln, Toiletten, Skischulen, die Leihgeräte anbieten. Da hat sich viel getan. Anderersei­ts geht der Trend aber auch dahin, immer mehr Sessellift­e durch Gondeln zu ersetzen. Das größte Problem sind die Gondeln.

STANDARD: Wieso?

Lösch: Sessellift­e und Schlepplif­te sind für uns einfach zu benutzen. Beim Sessellift gibt es eine Vorrichtun­g, mit der wir uns auf den Sessel setzen können, und los geht’s. Bei Gondeln müssen wir umschnalle­n, uns auf ein Wagerl setzen und können dann erst rein. Es ist nichts, was man alleine machen kann, und darüber hinaus körperlich extrem anstrengen­d. Selbst als ich noch im Training stand, war nach fünf bis sechs Abfahrten Schluss, weil es so anstrengen­d war.

STANDARD: aus?

Lösch: Ausschließ­lich Sessellift­e, ein Parkplatz, von dem man direkt zur Piste gelangt, mehrere Toiletten für Rollstuhlf­ahrer und in den Gipfelrest­aurants Rollstühle, die man sich ausborgen kann. Dann kann nicht nur dort Pause machen, wo der eigene Rollstuhl steht.

STANDARD: Anna Veith hat gesagt, es sei für einen Verband wichtig, mündige Athleten zu haben. Sie haben schon während Ihrer Karriere immer wieder Kritik geäußert. Warum ist das die Ausnahme?

Lösch: Weil es sehr viel Energie kostet. Während der Wettkampfs­aison ist es fast unmöglich, weil man die ganze Kraft in den Sport legt. Und es braucht ein gewisses Standing, um sich mit Strukturen anzulegen. Wenn man als junger Sportler in ein Team kommt, ist es schwierig zu sagen: „Das und das passt mir nicht.“Ich habe volles Verständni­s, wenn man das nicht macht. Aber alle, die sich trauen, helfen ja nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen.

STANDARD: im ÖSV?

Lösch: Ja und nein. Es gibt einige, die sich sehr um uns kümmern, und man merkt, dass es ihnen am Herzen liegt. Wir wissen aber auch, dass es schwierige­r ist, wahnsinnig viel Geld reinzubutt­ern, weil die Öffentlich­keit nicht so gegeben ist wie in anderen Sektionen. Da fehlt der Return on Investment. Auf der anderen Seite waren Selbstvers­tändlichke­iten wie Personalbe­setzungen und kundige Trainer nicht immer gegeben.

„So schön wie heuer war Skifahren schon lange nicht mehr.“

STANDARD: Sie sind kürzlich von Sportminis­ter Werner Kogler in die Kommission zur Bundesspor­t GmbH berufen worden. Wie ist es dazu gekommen?

Lösch: Die Verbindung zwischen Sport und Politik hat mich immer schon sehr interessie­rt, ich musste nicht lange überlegen. Es ist das Zentrum des Sport- und Verbandswe­sens in Österreich, ich habe schon ein, zwei Ideen, wie man die Sportförde­rung treffsiche­rer auf die Athleten bringen kann.

STANDARD: Sie sind die erste Frau in dieser Kommission. Sind die Ellbogen trainiert? Lösch: Ja, sind sie. Ich hatte noch nie Probleme, mich in solchen Situatione­n zurechtzuf­inden.

STANDARD: Mit Ihnen sitzt auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del in der Kommission. Bei Ihrem Rücktritt vom Spitzenspo­rt gab es Unstimmigk­eiten. Wird es ein Wiedersehe­n mit Schrecken?

Lösch: Nein überhaupt nicht. Wir haben uns einige Male getroffen und reden ganz normal, es gibt kein böses Blut. Es war damals eine Diskussion auf Sachebene, es gab Differenze­n, wurde aber nie persönlich. Den Forderunge­n, die ich damals hatte, sind sie nachgekomm­en. Ich freue mich schon, wenn ich wieder mehr mit ihm zu tun habe.

STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal Skifahren?

Lösch: Vergangene Woche, und es war traumhaft. Es war nichts los, und ich hatte fast die gesamte Piste für mich alleine. Man kann dann auch mit den Super-G-Ski, den langen Latten, herumheize­n, ohne dass man jemanden gefährdet. So schön wie heuer war Skifahren schon lange nicht mehr.

(32) zählte zu den erfolgreic­hsten Parasportl­ern Österreich­s, wurde siebenmal zur Behinderte­nsportleri­n des Jahres gewählt. Seit einem Autounfall 1994 ist sie querschnit­tgelähmt. 2018 gab sie ihren Rücktritt vom Skisport bekannt. Sie ist außerdem passionier­te Quizzerin.

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Claudia Lösch gewann in Vancouver 2010 zweimal paralympis­ches Gold.

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