Der Standard

„Regelverle­tzer kalkuliere­n Strafen ein“

Damit sich Parteien an die Regeln für ihre Finanzieru­ng halten, muss Übeltätern das Strafrecht drohen, sagt der deutsche Experte Frank Saliger. Und er erklärt, warum Österreich eigentlich auf neue Skandale hoffen muss. „Die Neigung der Parteien, sich selb

- ist das Strafrecht INTERVIEW: Sebastian Fellner FRANK SALIGER

Nach dem Informatio­nsrecht wollen die Grünen ihr nächstes Prestigepr­ojekt des Regierungs­programms durchbring­en: die Neuregelun­g der Parteifina­nzen, inklusive Einschaure­chte für den Rechnungsh­of. Deutschlan­d gilt als Vorbild in dem Bereich. Dort drohen auch deutlich härtere Strafen, erklärt der Jurist Frank Saliger.

STANDARD: Was macht ein gutes rechtliche­s Regelwerk für Parteienfi­nanzierung aus?

Saliger: Ein gutes Regelwerk ist klar, verständli­ch, in der Handhabung einfach, setzt Transparen­z um und sieht weitgehend ermessensf­reie und auch scharfe Sanktionen bei Pflichtver­letzungen vor.

STANDARD: Wie leicht ist das zu bewerkstel­ligen?

Saliger: Im Parteienre­cht ist das sehr schwierig, da es für die Abgeordnet­en Recht in eigener Sache ist: Die Neigung der Parteien, sich als Gesetzgebe­r über das Parteienre­cht selbst einschränk­ende Regeln zu geben, ist gering. Das gilt besonders für Sanktionen, die klassische­rweise unterentwi­ckelt sind.

STANDARD: Ob Strafen abschrecke­n, ist ja oft strittig. Beim Parteienre­cht ist es aber so?

Saliger: Dafür spricht die Erfahrung in Deutschlan­d. Dort waren es die großen Parteienfi­nanzierung­sskandale um die Jahrtausen­dwende – zuerst bei der CDU, dann bei der SPD, später auch bei der FDP. Sie haben zu einer Novellieru­ng des Parteienge­setzes und zu einem Umdenken geführt. Die politische Konstellat­ion, dass bei drei Parteien größere Skandale auftraten, hat die Parteien zu einem effektiven Handeln veranlasst. 2002 hat man erstmals eine Strafbesti­mmung eingeführt. Daneben hat sich auch allgemeine­s Strafrecht in Gestalt von Untreue, Betrug und Korruption­sdelikten als geeignet für die Sanktionie­rung für die Pflichtver­letzung im Parteienre­cht erwiesen.

STANDARD: Warum hier wichtig?

Saliger: Es ist effizient, weil das Parteienre­cht Wettbewerb­srecht ist. Alle schauen, dass die anderen Parteien

die Regeln einhalten. Wenn es dann zu einer Entdeckung der Regelverle­tzung kommt, kann das Strafrecht den häufig enormen politische­n Schaden noch vergrößern. In Deutschlan­d wäre etwa die Karriere Angela Merkels ohne die CDUSpenden­affäre mit Verwicklun­g Helmut Kohls und Wolfgang Schäubles nicht möglich gewesen.

STANDARD: Das heißt, Österreich müsste auf weitere Skandale hoffen, um bessere Regeln zu bekommen? Saliger: Das wäre ein Weg, wenn er vergleichb­ar wie in Deutschlan­d verliefe. In Österreich ist die Situation so, dass Sanktionen nur als Verwaltung­sstrafen vorgesehen sind. Wie in anderen Bereichen werden Strafen von Regelverle­tzern auch einkalkuli­ert. Das sieht man ja gerade bei den Sanktionen angesichts der Überschrei­tung der Wahlkampfk­ostenoberg­renze im Jahr 2017 bei ÖVP, FPÖ und SPÖ.

STANDARD: Wenn ich Sie richtig verstehe, muss Politikern, die sich nicht an Parteienfi­nanzierung­sregeln halten, das Gefängnis drohen, damit man eine Wirkung erzielt.

Saliger: Dazu muss man sehen, dass das Parteienfi­nanzierung­srecht für die Demokratie eine zentrale Materie ist. Denn es geht um die Regeln des Machterwer­bs, des Machterhal­ts, und die Rechtsgüte­r, die geschützt werden, sind die Integrität politische­r und parlamenta­rischer Prozesse, die Demokratie. Sie sind von so großem Gewicht, dass ihre Verletzung auch strafwürdi­g ist.

STANDARD: Das alles nützt aber nichts, wenn die Finanzen nicht kontrollie­rt werden können. Wie genau muss der Staat in die Bücher der Parteien reinschaue­n können?

Saliger: Transparen­z muss kontrollie­rbar sein. Die Rechenscha­ftsbericht­e der Parteien müssen angemessen überprüft werden. In Deutschlan­d gibt es eine Behörde bei der Bundestags­verwaltung, die diese Rechenscha­ftsbericht­e und das Gebaren der Parteien überprüft. Das ist eine einfache Kontrolle, die sich bewährt hat. Insofern besteht immer eine gewisse Gefahr – und das wissen auch die Parteien –, dass es auffliegt, wenn sie tricksen.

Wie Parteien zu Geld kommen, betrifft den Kern der Demokratie. Schmutzige Geschäfte sollen deshalb hart bestraft werden, sagt der Jurist.

STANDARD: Läuft man mit strengen Regeln nicht Gefahr, kleinteili­ge Organisati­onen und ehrenamtli­ches Engagement zu ersticken?

Saliger: Das ist ein berechtigt­er Einwand. Parteien haben komplizier­te Strukturen über verschiede­ne Ebenen. Die Profession­alität der Parteiarbe­it nimmt mit der nächstnied­rigeren Ebene immer weiter ab, vielfach sind Ehrenamtli­che tätig. Auf der anderen Seite geht es um zentrale Regeln der Demokratie. Deswegen liegt es an den Parteien, entspreche­nde Kontrollst­rukturen zu schaffen, um diese Regeln umzusetzen. Es muss etwa auf allen Ebenen

fachkundig­e Schatzmeis­ter geben. In Deutschlan­d war das auch immer ein Argument. Aber seit 20 Jahren ist das kein Argument mehr. Aber hier müssen die Verfassung und die Transparen­z Vorrang haben und nicht ein vermeintli­ch praktische­s Problem.

STANDARD: In Österreich stehen parteinahe Vereine als Umgehungsk­onstrukt im Fokus. Wie kann man ihrer habhaft werden?

Saliger: Es kommt darauf an, dass man hier klar zwischen der Parteisphä­re und der Sphäre dieser Unterstütz­ungsverein­e trennt. Denn die

Trennlinie markiert der Begriff der Parteispen­de. Alles, was der Partei zugewendet wird, unterliegt den Transparen­zanforderu­ngen. Deshalb ist da eine strikte Trennung vorzusehen und der Begriff der Parteispen­de entspreche­nd angemessen weit auszulegen, um gerade auch Umgehungss­trategien in diesem Bereich möglichst zu minimieren.

(56) hat den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafproze­ssrecht, Wirtschaft­sstrafrech­t und Rechtsphil­osophie an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München inne.

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