SPÖ und FPÖ fürchten politischen Druck auf Verfassungsrichter
VfGH-Präsident spricht sich dagegen aus, abweichende Meinungen öffentlich zu machen – Edtstadler beharrt auf Änderungen
Christoph Grabenwarter, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), hat mit den Plänen der Regierung, die seine Arbeitsstelle betreffen, keine Freude. Das Transparenzpaket der Regierung, das am Montag in eine achtwöchige Begutachtung geschickt wurde, sieht neben dem Aus für das Amtsgeheimnis auch die Möglichkeit für Richter des Verfassungsgerichtshofs vor, konkurrierende Meinungen vorzulegen und öffentlich zu machen. „Ich war immer schon skeptisch, und die Skepsis hat zugenommen“, sagte Grabenwarter am Dienstagabend in der ZiB 2.
Die 14 Richter „arbeiten als Kollegium unabhängiger Juristen mit dem Ziel, gemeinsame, einheitliche Entscheidungen zu treffen, an denen sich die Bürger orientieren können“, erklärte Grabenwarter seine Skepsis. Wenn unterschiedliche Meinungen zu Entscheidungen des Gerichtshofs öffentlich gemacht würden, verlören diese an Wirkung.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) kann die Skepsis des VfGH-Präsidenten nicht nachvollziehen, sie verteidigte am Mittwoch den Regierungsplan. Edtstadler verwies nach dem Ministerrat auf die internationale Praxis: Es gebe nur drei Länder in Europa, die eine solche Möglichkeit nicht vorsehen, sagte sie im Pressefoyer. Es gehe dabei um Transparenz, die Öffentlichkeit solle abweichende Meinungen erfahren können.
Richter schützen
Die Opposition zeigte sich skeptisch bis ablehnend. Eine Zweidrittelmehrheit ist zu diesem Thema allerdings offenbar nicht nötig. Anders
als andere Bestimmungen des VfGH-Gesetzes steht die betreffende Bestimmung nicht im Verfassungsrang.
SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried begründet seine Skepsis mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre: In der SPÖ habe es zwar zuletzt positive Stimmen für die Möglichkeit eines Sondervotums gegeben. „Wenn man aber sieht, wie eine ehemals staatstragende Partei wie die ÖVP die Justiz attackiert, habe ich kein gutes Gefühl dabei“, sagte Leichtfried. Mit der Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage wären die Richter besser geschützt. „Insgesamt sind wir skeptisch.“Man wolle aber noch das Begutachtungsverfahren abwarten sowie die Stellungnahmen von führenden Verfassungsrechtlern sowie des VfGH selbst dazu.
Die Neos teilen tendenziell die Bedenken des ehemaligen Justizministers und Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), Clemens Jabloner, wonach die Dissenting Opinion nicht dem gewachsenen österreichischen Verfassungsschutzsystem entspreche. „Wir stehen da eher auf der Bremse. Aber natürlich kann man darüber diskutieren, das ist für uns keine Fahnenfrage“, erklärte Justizsprecher Johannes Margreiter. Es gebe Länder, wo dies gut funktioniere.
Erste und zweite Klasse
Abgelehnt wird ein Sondervotum von VfGH-Richtern von der FPÖ: „Es sollte nach außen hin eine einheitliche Entscheidung des Gerichts geben“, betonte Justizsprecher Harald Stefan. Ansonsten bestünde die Gefahr von „Entscheidungen erster und zweiter Klasse“. Darüber hinaus sieht er die Gefahr von politischem Druck auf einzelne Richter, wenn sie eine abweichende Meinung äußerten.
Das Informationsfreiheitspaket bringt außerdem ein Aus des Amtsgeheimnisses sowie erweiterte Befugnisse für den Rechnungshof bei der Prüfung von Betrieben mit öffentlicher Beteiligung.
Das Amtsgeheimnis wird grundsätzlich abgeschafft. Das bedeutet, dass de facto alle öffentlichen Stellen – vom Parlament über Regierung, Selbstverwaltung, Ämter, Gerichte, den Rechnungshof bis zur Volksanwaltschaft – auf Antrag von „jedermann“kostenlos Informationen zur Verfügung zu stellen haben. Dies gilt auch für Unternehmen, sofern die öffentliche Hand zu einem relevanten Anteil beteiligt ist. (APA, red)