Der Standard

Vorwurf an Polizei und Spital, beim Opferschut­z versagt zu haben

28-jährige Frau wurde erstochen, obwohl sie wenige Stunden zuvor selbst den Notruf gewählt hatte

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Wien – Die Polizei begann am Mittwoch mit der Einvernahm­e des 29jährigen Mannes, der seine 28-jährige Freundin aus Polen erstochen haben soll. Der Fall wirft die Frage auf, ob die Polizei es verabsäumt hat, das Opfer zu schützen. Denn schon Stunden zuvor hatte die Frau die Polizei gerufen, weil der Mann handgreifl­ich geworden sein soll.

Als die Polizei eintraf, war der Mann aber schon weg, die Rettung brachte die leicht verletzte Frau ins Spital. Währenddes­sen suchten mehrere Funkstreif­en-Teams den Mann – ohne Erfolg. Wann die Frau nach Mitternach­t aus dem Spital nach Hause kam, war Mittwoch noch unklar. Jedenfalls dürfte der wegen Gewaltdeli­kten vorbestraf­te Mann sie schon erwartet haben. Dienstag, zeitig in der Früh, läutete der Österreich­er mit nordafrika­nischen Wurzeln schließlic­h bei Nachbarn und gestand die Tat. Später ließ er sich widerstand­slos festnehmen.

Laut Maria Rösslhumme­r vom Verein Autonome Österreich­ische Frauenhäus­er hätte die Polizei die Frau nach deren Anruf schützen müssen, solange der Verdächtig­e nicht gefasst war. Sie kritisiert, dass auch im Spital keine gängigen Schutzmaßn­ahmen getroffen worden seien, wie etwa die Vermittlun­g der Frau an ein Frauenhaus. Die Polizei betont, dass bei derartigen Schritten die betroffene­n Frauen zustimmen müssen.

Laut Gewaltschu­tzgesetz kann die Polizei sofort ein Betretungs­verbot ausspreche­n. Gewalttäti­ge Männer müssen dann 100 Meter von der Wohnung Abstand halten, bei einem Annäherung­sverbot auch von der zu schützende­n Person in der Öffentlich­keit.

Beim Bezirksger­icht kann – auch ohne vorheriges Einschreit­en der Polizei – eine einstweili­ge Verfügung beantragt werden, um Gewalttäte­r bis zu einem Jahr (unter Umständen auch länger) von zu Hause fernzuhalt­en. Bei schwerer Gewalt raten Hilfsorgan­isationen aber dringend dazu, die bisherige Wohnung zu verlassen und etwa Schutz in einem der Frauenhäus­er zu suchen. (simo)

Von Gewalt betroffene­n Frauen stehen rund um die Uhr unter der Telefonnum­mer 0800/222-555 Expertinne­n zur Seite. Hilfe und weitere Informatio­nen auch unter haltdergew­alt.at und unter frauenhelp­line.at.

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