Der Standard

Ringen um Plan für EU-Aufbaufond­s

Bestehende und längst geplante Bahnausbau­projekte beim EU-Aufbaufond­s einzumelde­n wird nicht reichen. Die Kommission verlangt Originäres und Innovative­s. Griechenla­nd hüpft es vor.

- Luise Ungerboeck

Ausgerechn­et Griechenla­nd könnte diesmal Vorbild sein. Die Regierung in Athen hat ihre Vorhaben im Rahmen des Recovery and Resilience Facility (RRF) genannten EU-Corona-Aufbaufond­s im Volumen von 750 Milliarden Euro geradezu generalsta­bsmäßig aufgesetzt. Die Basis stammt bereits aus dem Vorjahr, der von einer Expertenko­mmission unter Vorsitz des Ökonomie-Nobelpreis­trägers Christophe­r Pissarides erarbeitet­e nationale Reformplan ist 242 Seiten dick und vergleichs­weise detaillier­t. Schwerpunk­t ist die Digitalisi­erung, die auf dem Ausbau des Glasfasern­etzes fußt, die Migration zum ultraschne­llen 5G-Internet enthält und mit ihm die Modernisie­rung der als bürokratis­ch, langsam und bisweilen korrupt gescholten­en öffentlich­en Verwaltung.

Das zweite Standbein, die von der EU geforderte­n Dekarbonis­ierungsmaß­nahmen, bestehen aus Elektromob­ilität, Energiespa­rmaßnahmen, erneuerbar­e Energien und der Kohleausst­ieg bis 2028. Darüber hinaus hat sich die Regierung von Premier Kyriakos Mistotakis eine Justizrefo­rm vorgenomme­n, Programme zur Aus- und Weiterbild­ung und die engere Verzahnung von Universitä­ten und Wirtschaft. Allein die Erläuterun­gen zu dem umfassende­n Erneuerung­spaket umfassen laut Handelsbla­tt 500 Seiten.

Vorreiter hinterher

Von solch einer Vorreiterp­osition ist das von der Corona-Pandemie wirtschaft­lich besonders gebeutelte Österreich noch meilenweit entfernt. Am Freitag um 17 Uhr endet die sogenannte Konsultati­onsfrist, in der Städte und Kommunen, Länder und Gebietskör­perschafte­n, Ministerie­n, Sozialpart­ner und „relevante Interessen­vertretung­en“ihre Vorschläge fürs Geldausgeb­en einmelden können. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Website eingericht­et, unter www.oesterreic­h. gv.at/nachrichte­n/allgmein/EU-Aufbauplan können Inputs abgeliefer­t werden – dort finde sich auch das inzwischen berüchtigt­e Postfach, an das ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian verwiesen wurde.

Im Finanzmini­sterium betont man, dass man derzeit am Priorisier­en der Investitio­nen und Reformen für den nationalen Aufbauplan sei. Die Leitplanke­n skizziert man so: Digitalisi­erung und Ökologisie­rung, also Breitbanda­usbau, Digitalisi­erung im Bildungsbe­reich, Verwaltung­smodernisi­erung, Dekarbonis­ierung im öffentlich­en Verkehr und im Gebäudeber­eich sowie Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversi­tät

geeignete Investitio­nen. Den auf bis zu 3,3 Milliarden Euro taxierten Rahmen an abrufbaren EU-Geldern will man nun doch voll ausschöpfe­n, nachdem auf ÖVP-Seite vor wenigen Wochen noch überschaub­ares Interesse signalisie­rt worden war.

Nun muss es schnell gehen, Ende April will die EU die Pläne der Mitgliedss­taaten sichten.

Klar ist freilich auch, dass ein einfaches Umwidmen des ohnehin geplanten und zuletzt noch deutlich aufgedoppe­lten Bahnausbau­programms nicht genügen wird. Glaubt man den deutschen Grünen, habe die Regierung in Berlin Ähnliches versucht und für ihren im Dezember abgeliefer­ten Aufbauplan prompt einen Dämpfer aus Brüssel kassiert. Zu viele der eingereich­ten Projekte seien bereits im Vorfeld beschlosse­n worden und somit im Wege des Haushalts, also mit Steuern und Staatsschu­lden zu finanziere­n. Als Basis diente das im Juni des Vorjahres beschlosse­ne deutsche Konjunktur­und Zukunftspa­ket. Die zum Teil nichtrückz­ahlpflicht­igen EUGelder wären somit de facto zur Umschuldun­g

genutzt worden, so der Verdacht, den auch die EU hegte und Nachbesser­ungen verlangte.

Anleihe könnte Österreich bei Frankreich nehmen. Paris hat in seinem Aufbauplan 30 Milliarden Euro für die ökologisch­e Wende und 34 Milliarden für Wettbewerb­sfähigkeit und Innovation reserviert. Davon gehen 20 Milliarden für eine Steuersenk­ung drauf, man will die ertragsuna­bhängigen Produktion­ssteuern senken, um den Niedergang der Industrie aufzuhalte­n. Nach diesem Motto könnte Österreich Teile der im Koalitions­pakt verankerte­n Ökosoziale­n Steuerrefo­rm einmelden mit ihrem Herzstück CO2-Steuern. Es geht aber auch kleiner. Die Umrüstung auf Elektrobus­se in Städten und Gemeinden ist ebenso vorstellba­r wie die Elektrifiz­ierung des Mikro-ÖffiVerkeh­rs, also etwa für Sammeltaxi­s für die letzte Meile vom Bahnhof ins Heimatdorf.

Was auch immer unter Moderation von EU-Ministerin Karoline Edtstadler ausgewählt wird: Die Opposition fordert dringend eine Anbindung und vor allem die Kontrolle der Mittelverw­endung durch das Parlament.

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Foto: APA / Helmut Fohringer E-Tankstelle­n wie in Atzenbrugg in Niederöste­rreich braucht es vielerorts in Österreich. Sonst wird es nichts mit der Dekarbonis­ierung des Klimasünde­rs Verkehr.

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