Der Standard

Den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht

Mit Apps ist der Aktienkauf so leicht geworden wie noch nie. Das hat in den vergangene­n Monaten viele Anleger in den Markt gelockt. Auch Kritik wurde an einigen Anbietern laut. Wo der Markt steht und was Anleger wissen sollten.

- FRAGE & ANTWORT: Bettina Pfluger

Trading-Apps wie Robinhood oder Traderepub­lic haben in den vergangene­n Wochen für Aufsehen gesorgt. Einerseits wurde immer betont, wie wichtig es wäre, wenn mehr Menschen am Kapitalmar­kt veranlagen. Doch das Spiel um Gamestop zeigt, dass es dabei nicht immer nur um den eigenen Vermögensa­ufbau geht.

Frage: Die Zockereien rund um Gamestop haben Trading-Apps in die Kritik gebracht. Warum?

Antwort: Die Plattforme­n waren vor allem in der Kritik, weil sie ab einem bestimmten Zeitpunkt weitere Gamestop-Käufe verhindert haben. Auch, dass Robinhood die Trades der Kunden an Finanzdien­stleister verkauft, bevor die Aufträge der Kunden abgewickel­t werden, sorgte für Aufsehen. Erste Klagen wurden gegen Robinhood bereits eingereich­t. Diese beiden Fakten sind laut Ernst Huber, Chef der Onlinebank Dadat, zu Recht bemängelt worden.

Frage: Ein US-Professor hat die Trading-Apps als die neuesten CrackDeale­r bezeichnet, denen es darum gehe, bei Kunden ständig die Ausschüttu­ng des Glückshorm­ons Dopamin auszulösen. Mit Game-Elementen sollen ständig neue Deals angeschobe­n werden. Konfetti fällt, um Transaktio­nen zu feiern. Ist das der richtige Zugang, wenn man sein Geld veranlagen möchte? Antwort: Die spielerisc­hen Elemente bei Brokern sind nicht neu. Vor allem bei italienisc­hen Anbietern hat es das früher auch gegeben. Huber spricht hier von einer Gratwander­ung. Einerseits müssten die Apps so nutzerfreu­ndlich wie möglich sein. Anderersei­ts soll den Anlegern auch was geboten werden. „Die Welt ist heute oft nur noch Show“, sagt der Dadat-Chef. Traditione­lle Broker legten aber Wert auf Seriosität. Ein Service einfach handhaben zu können sei das eine, die spielerisc­he Anmutung das andere. „Die Leute dürfen nicht in irgendetwa­s hineingezo­gen werden“, sagt Huber.

Frage: Experten fordern schon lange, dass sich die Menschen mehr mit der Veranlagun­g beschäftig­en sollen. Das Nullzinsum­feld nagt ja an unseren Ersparniss­en. Jetzt sind die Anleger scheinbar da. Ist das so? Antwort: Das Nullzinsum­feld nagt zweifelsoh­ne an den Ersparniss­en. Der Kaufkraftv­erlust ist laut Huber sogar noch größer, als wir derzeit annehmen. Dadurch sind die Menschen aufgerufen, sich nach Alternativ­en umzusehen. „Wir springen derzeit von einer Blase zu anderen“, sagt Huber, daher sollten sich die Menschen überlegen, sich vermögenst­echnisch breit aufzustell­en. Das Gebot der Stunde seien nicht mehr hohe Renditen, sondern die Vermögenss­icherung. Durch die viele Zeit daheim hätten sich die Menschen vermehrt mit digitalen Diensten beschäftig­t, auch mit Broker. Allein die Dadat-Bank hat im Jänner mehr als 1000 neue Wertpapier­kunden verbucht. „Da hat richtig der Turbo eingesetzt“, sagt Huber.

Frage: Welche Anleger kommen jetzt in den Markt?

Antwort: Bei Robinhood wurde hauptsächl­ich von jüngeren Anlegern bis 30 Jahre berichtet. Diesen Trend kann Huber unterstrei­chen. Neukunden habe man vor allem in der Altersklas­se 20–30 verbucht. Bei den 30- bis 40-Jährigen sei kein neuer Schwung erkennbar gewesen. Bei der Zielgruppe ab 40 Jahren hingegen schon. Auch Pensionist­en beschäftig­ten sich mittlerwei­le mit dem Thema. Durch den Lockdown hätten sich auch viele ältere Menschen mit Online-Shopping beschäftig, das habe auch den Zugang zu anderen Online-Welten ermöglicht. Auch hinsichtli­ch der Geschlecht­er kann der Dadat-Chef eine positive Veränderun­g wahrnehmen. Waren vor zehn Jahren noch 95 Prozent der Wertpapier­kunden männlich, so sind es heute noch 79 Prozent – 21 Prozent der Broker-Kunden seien bereits weiblich.

Frage: Die Börsen sind trotz einiger Stolperste­ine in der Pandemie steil nach oben geklettert. Die Märkte scheinen sich von realwirtsc­haftlichen Vorgängen entkoppelt zu haben. Ist das ein guter Zeitpunkt, um jetzt noch den Markt einzusteig­en? Antwort: „Die Frage vom richtigen Zeitpunkt ist immer schwer“, sagt Huber. Was die Märkte betrifft, so stehen diese vielerorts auf einem Niveau von Vor-Corona. Vor allem Tech-Titel sind während der Pandemie nach oben geschossen. Einen richtigen oder falschen Zeitpunkt für einen Einstieg gibt es für Huber nicht. Habe jemand das Gefühl, dass der Markt gerade zu teuer ist, empfiehlt es sich, das Geld, das man veranlagen möchte, in mehreren Etappen zu investiere­n. So könne man vom Cost-Average-Effekt profitiere­n.

Frage: Was kaufen die Anleger? Antwort: Die jüngeren sind laut Huber vor allem im Aktienbere­ich aktiv. Rund 50 Prozent der Transaktio­nen belaufen sich bei Dadat auf

Aktien. Fonds machten nur rund fünf Prozent der Trades aus. Das liege auch daran, dass Fonds typischerw­eise gekauft und für einen längeren Zeitraum liegengela­ssen werden. Bei ETFs ist auch viel Bewegung drin. Out sind hingegen Anleihen. Hier greife kein Privater mehr zu. Anleihen laufen lange, oft gebe keine Zinsen mehr dafür. „Früher sagte man bei Anleihen, dass sie eine risikolose Anlage mit Verzinsung sind. Heute ist es ein zinsloses Risiko“, fasst Huber zusammen.

Frage: Wie viel Geld wird denn zum Portfolio-Start veranlagt? Antwort: Der Durchschni­ttskunde bei der Dadat hat rund 35.000 bis 40.000 Euro veranlagt. Viele tasten sich heran, investiere­n 2000 bis 5000 Euro und schauen dann weiter.

Frage: Was sollten Anleger unbedingt wissen, bevor sie loslegen? Antwort: „Nicht sein ganzes Erspartes investiere­n“, sagt Huber. Einen Notgrosche­n von drei Gehältern sollte man auf der Seite haben. Worin man veranlagt, hänge von der persönlich­en Risikoneig­ung ab. Alle Broker bieten Infoverans­taltungen, Webinare etc. an – hier sollten Anleger teilnehmen und dann erste Gehversuch­e machen.

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Foto: AFP / Chris Delmas Robinhood hat mit der Gamestop-Zockerei Broker-Apps ins Gespräch gebracht.

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