Der Standard

Helfende Kämpferinn­en

Das Jüdische Museum Wien porträtier­t die zionistisc­he Frauenorga­nisation Wizo. Nur eine Einführung kommt zu kurz

- Katharina Rustler

Die Mädchen mussten weg – und zwar schnell. Wie dringend die Situation und wie unermüdlic­h der Kampf war, geht aus Briefen zwischen der Wizo, der Women’s Internatio­nal Zionist Organizati­on, in Wien und jener in Palästina hervor. Datiert im November 1938. Man ersuchte um Ausreiseze­rtifikate für die jüdischen Mädchen und Frauen in das britische Mandatsgeb­iet Palästina, Israel existierte noch nicht. Es war klar: Je weniger Österreich verlassen durften, desto weniger würden überleben.

In ihrem Bericht schreibt Sophie Löwenherz, damalige Präsidenti­n der Wizo Österreich, dass bis 1939 250 Mädchen so gerettet werden konnten. Danach musste die Ausreise illegal erfolgen, Zahlen gibt es keine. Fotografie­n bereits geflohener Frauen dokumentie­ren ihre erleichter­ten Gesichter – wobei sie oft allein in das fremde Land kamen.

Das Jüdische Museum Wien erzählt in der Schau Herzls Töchter – 100 Jahre WIZO. Wiener Frauen für Israel die Geschichte der Organisati­on, die Anfang der 1920er-Jahre von Frauen für Frauen gegründet wurde. Neben der Ermöglichu­ng der Ausreise

nach Palästina wurde die Flucht von Kindern aus dem Deutschen Reich organisier­t und während der Schoah Mädchensch­ulen in Palästina aufgebaut. Die Wizo wurde Anlaufstel­le, Vermittler­in und später karitative Wohltäteri­n.

Heute zählt sie zu den größten zionistisc­hen Frauenvere­inen und unterstütz­t Projekte unabhängig von Herkunft oder Konfession.

Feministis­cher Zionismus

Zeitgleich zur Einführung des Frauenwahl­rechts in Österreich etablierte­n sie sich in Europa. Schwarz-Weiß-Fotografie­n zeigen

Gruppen mit überrasche­nd vielen Frauen. Einzelne Biografien werden hervorgeho­ben, das Wirken der Wizo wird so exemplaris­ch erzählt.

Viele von ihnen kannten Theodor Herzl, den Publiziste­n und Gründervat­er des politische­n Zionismus. Seiner Forderung, einen Staat für alle Juden zu gründen, fügten die Wizo-Frauen „und Jüdinnen“hinzu. Sie verlangten Gleichbere­chtigung, sagt die Kuratorin Julia Windegger, und bezeichnet deren Bestreben als „feministis­chen Zionismus“.

Die von Itai Margula sensibel gestaltete Ausstellun­g macht die Arbeit jener Kämpferinn­en – vor, während und nach dem Weltkrieg – fassbar. Und endet bei den heutigen Errungensc­haften (viele Fotos!), es gibt sogar einen Spenden-Basar.

Da die Rekonstruk­tion des Grabtuchs von Herzl den prominente­n Ausgangspu­nkt bildet, vermisst man allerdings eine Basiseinfü­hrung in den Zionismus. Als Reaktion auf den anwachsend­en Antisemiti­smus entstanden, erhielt Herzls Vision zu Beginn kaum Zustimmung und wurde erst später populärer.

Zu erklären, wie facettenre­ich der Begriff ist, hätte den Rahmen der Schau vielleicht gesprengt, aber auch sinnvoll erweitert. Bis 2. 5.

Newspapers in German

Newspapers from Austria