Der Standard

Der erste Prozess

- Gudrun Harrer

Anfang März jährt sich zum zehnten Mal, dass im südsyrisch­en Daraa die lokalen Behörden die Graffiti von Kindern – Slogans aus dem „Arabischen Frühling“– mit unglaublic­her Brutalität beantworte­ten: der Auftakt zum Aufstand, der sich in einen Krieg des Regimes nicht nur gegen bewaffnete Gruppen, sondern ganz bewusst gegen die Zivilbevöl­kerung entwickelt­e. Klassische Kriegsverb­rechen.

Das Regime ist noch immer am Ruder – und die Suche nach Recht wenigstens in einigen Fällen Gerichten außerhalb Syriens überlassen, in Staaten, in denen das Weltrechts­prinzip gilt: Völkerrech­tsstraftat­en können verfolgt werden, auch wenn sie nicht auf dem eigenen Hoheitsgeb­iet und von eigenen Staatsbürg­ern verübt wurden. Die internatio­nale Gerichtsba­rkeit ist blockiert, weil Russland und China gegen die Befassung des Strafgeric­htshofs (ICC) in Den Haag oder die Einrichtun­g eines Sondertrib­unals ihr Veto einlegen würden.

In Koblenz ist am Mittwoch der Prozess gegen einen der beiden dort angeklagte­n Schergen des Assad-Regimes zu Ende gegangen. Im Grunde ein kleinerer Fisch: Vor Gericht stehen die beiden Syrer als Individuen. Aber zum ersten Mal weltweit sind Denkweise, Methoden, Befehlsket­ten des syrischen Regimes Gegenstand eines Prozesses. Auf diesen werden weitere folgen. Sie werden den Opfern nicht die Gerechtigk­eit bringen, die sie verdienen, aber sie werden zur Dokumentat­ion der Regimeverb­rechen in Syrien entscheide­nd beitragen.

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