Der Standard

Vom Wiener Beisl zur Take-away-Station

Viele Wiener Lokale setzen wegen Corona zum ersten Mal auf Take-away oder Lieferserv­ice. Die Gastronome­n haben dabei einiges gelernt. Ein Selbstläuf­er ist das Ausweichen auf Abholservi­ce aber nicht.

- Lara Hagen

Hedwig Zinöcker und Verena Piontek erinnern sich noch ganz genau an den Moment, als sie beschlosse­n haben, das Geschäftsm­odell ihrer Pizzeria auf den Kopf zu stellen. Es war der 13. März, kurz vor jener Pressekonf­erenz, mit der das Land in den ersten Lockdown geschickt wurde. „Da sickerte aber schon vorher durch, was kommen wird.“Zinöcker und Piontek wussten: Die Pizzeria Disco Volante muss demnächst auf Lieferserv­ice und Take-away setzen.

Für viele Betriebe war die Umstellung keine große – sie arbeiteten schon vorher intensiv oder ausschließ­lich mit Mjam oder anderen Lieferserv­ices zusammen oder lieferten selbst aus. Einige Restaurant­s betraten im letzten Jahr aber Neuland – wie die Disco Volante.

Zurück zum Abend des 13. März: Sofort sei an einer Website gebastelt worden, durch die es möglich wurde, mit Karte online zu bezahlen, erinnern sich die Geschäftsp­artnerinne­n. „Wir haben unser gesamtes Team durchtelef­oniert und gefragt, wer radeln will“, parallel dazu wurden Lastenräde­r organisier­t. Am Montag, dem ersten Lockdown-Tag, war das Volante-Team schon auf Lieferserv­ice umgestellt und mit Fahrrädern zu den Kundinnen und Kunden unterwegs.

Das war für alle neu: „Wir hatten einmal ganz kurz eine Zusammenar­beit mit Foodora, haben damals aber schnell gemerkt, wo die Schwierigk­eiten liegen. Durch das Fahren wurden die Pizzen durchgerüt­telt, auch die Kapazitäte­n waren ein Problem. Wir haben deswegen schnell Abstand genommen“, sagt Zinöcker.

Die Lernkurve beim eigenen Ausliefern sei ziemlich steil gewesen: „Wie viele Fahrerinne­n und Fahrer braucht es, schaffen wir zwei Kilometer oder nur einen – man will ja gute Qualität liefern, und das schnell.“Am Anfang habe es durchaus Schwierigk­eiten gegeben, die Kunden seien aber sehr nett gewesen und hätten Verständni­s gezeigt, wenn es einmal länger dauerte.

Bye-bye, Büffelmozz­arella

Was sie gelernt haben? Zum Beispiel, die Karte entspreche­nd anzupassen: „Wir haben beispielsw­eise alle Pizzen mit Bufala weggelasse­n, weil der schnell zerrinnt. Dafür haben wir das Angebot unserer zusammenge­klappten Pizzen – den Ripieni – ausgebaut. Die eigenen sich super zum Liefern.“

Sie seien mit dem Lieferserv­ice „ganz okay“durch das Jahr gekommen, vor allem im März und im April sei „wahnsinnig viel los“gewesen, sagt Piontek. Es lief so gut, dass die beiden Chefinnen niemanden aus dem Team kündigen mussten. Auch ein neues Lokal wird demnächst eröffnet: Bei der Pronto Volante werde es vor allem um Take-away gehen, und es werde nur wenige Sitzplätze geben. Geplant wäre eigentlich ein größerer Standort gewesen.

Gut laufen dürfte es auch für die Traditions­konditorei Demel – zumindest wenn man die hohe Anzahl an Instagram-Posts oder Tiktok-Vihalten deos vor dem Café in der Wiener Innenstadt als Gradmesser heranzieht. Vor der Corona-Krise hat kaum ein Wiener Kaffeehaus an Lieferserv­ice oder Take-away gedacht, jetzt bieten ein paar diesen Service an.

Der Demel-Kaiserschm­arren zum Mitnehmen lockt jedenfalls viele in die Innenstadt. Seit Mitte Dezember wird im Schaufenst­er gekocht. Manchmal stehen die Menschen um 11 Uhr vormittags bereits Schlange. Das habe auch Do&Co-Firmenchef Attila Doğudan, der das Demel betreibt, überrascht. Aber auch der Kaiserschm­arrenhype konnte den Personalab­bau nicht verhindern: Do&Co war einer der ersten Konzerne, der zahlreiche Mitarbeite­r entlassen hat – 30 waren es allein im Demel.

Greißler statt Gäste

Für so manches Lokal erwies sich weder Take-away noch Lieferserv­ice als rentabel. Nach nur einer Woche musste beispielsw­eise die Spelunke – ein Restaurant im zweiten Bezirk direkt am Donaukanal – das Essen zum Mitnehmen wieder einstellen. „Aufgrund des momentanen Lockdowns befinden sich viele im Homeoffice, und es fehlt an täglicher Kundschaft“, hieß es dazu im Newsletter des Lokals.

Auch wenige Meter weiter, im Gasthaus zum Friedensri­chter, rechnet sich der Service zum Mitnehmen nicht wirklich, wie Geschäftsf­ührer Roland Trappmaier erzählt. „Wirtschaft­lich sinnvoller wäre es eigentlich, geschlosse­n zu

– das Personal ist in Kurzarbeit, und wir rechnen die Einnahmen mit den Förderunge­n gegen. Aber ich arbeite viel zu gerne und möchte meine Stammgäste wenigstens ab und zu mit unserer Küche verwöhnen.“

Im Friedensri­chter kann seit Mitte Mai Essen mitgenomme­n werden. Seither habe man natürlich experiment­iert – auch aufgrund der sich ändernden Verordnung­en. Derzeit gibt es von Mittwoch bis Freitag Take-away. Trappmaier hat für die Zeit des Lockdowns außerdem einen Lebensmitt­elhandel, einen Greißler, angemeldet, „um den Gästen ein breiteres Angebot zu bieten“. Gelernt habe er in den letzten Monaten unter anderem, dass „Takeaway sicher seine Berechtigu­ng hat. Aber hinsichtli­ch Qualität kann ein Besuch beim Wirten nicht adäquat ersetzt werden“.

Wie wichtig Take-away oder Lieferserv­ices im letzten Jahr für Wiens Lokale wurden, zeigt sich auch darin, dass sogar Bars davon Gebrauch machen. Mehrere Cocktailba­rs liefern ihre Getränke aus oder bieten sie zum Abholen an. Und so manche Bar hat die Speisekart­e ausgebaut und versucht, bis zur Wiedereröf­fnung damit das Geschäft zumindest ein bisschen am Laufen zu halten.

Ein Beispiel dafür ist die auf Bier spezialisi­erte Bar Brauhund im 15. Bezirk. Besitzer Lukas Lang findet es selbst „komisch“, dass das Hauptgesch­äft für ihn derzeit Essen sei. „Normalerwe­ise haben wir nur selten gekocht – wenn passende Events waren beispielsw­eise oder am Sonntagabe­nd. Es waren aber nur Kleinigkei­ten, weil wir schon vorwiegend Barbetrieb haben.“Das war vor Corona. Nun steht Lang, den alle nur Lucky nennen, selbst in der Küche, gemeinsam mit zwei Angestellt­en kocht er alles Mögliche – von Kässpätzle über Curry bis zu Spareribs. Und das seit dem zweiten Lockdown.

Essen aus der Bier-Bar

Vor gut einem Jahr begann der Gastronom mit einem Getränkeli­eferservic­e. Das habe damals richtig gut funktionie­rt. „Beim zweiten Lockdown dann aber nicht mehr. Da haben die Leute dann Gründe gesucht, rauszugehe­n“, glaubt der Vorarlberg­er. Deswegen funktionie­re auch der Essen-Lieferserv­ice nicht so gut wie erhofft. Das Ausliefern hätten vorrangig die geringfügi­g Beschäftig­ten übernehmen sollen. „Die kann man nämlich nicht zur Kurzarbeit anmelden. Damit sie nicht komplett durch die Finger schauen, wäre das eine Möglichkei­t gewesen.“

Das Feedback zum Essen aus der Bier-Bar sei gut, meint Lang. Einige Stammgäste hätten während des letzten Online-Bier-Tastings – noch ein Novum aus der Not heraus – empfohlen, das so beizubehal­ten. „Schauen wir mal“, sagt Lang. Momentan könne und wolle er gar nicht mehr so weit in die Zukunft schauen. „Wer weiß, wann wieder Normalbetr­ieb möglich sein wird.“Sein Schanigart­en stehe jedenfalls bereit.

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Screenshot­s: Instagram Lehren aus dem Lockdown: Zusammenge­klappte Pizza lässt sich besser zustellen, Kaiserschm­arren im Karton kommt an.
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