Der Standard

Auf der linken Spur ins Superwahlj­ahr

Als erste deutsche Partei legt die SPD ihr Wahlprogra­mm für das Superwahlj­ahr 2021 vor. Die Sozialdemo­kraten wollen mit höheren Steuern für Reiche und Klimaneutr­alität punkten. Das Papier richtet sich klar an Grüne und Linke.

- Birgit Baumann aus Berlin

Olaf Scholz schaut am Montagnach­mittag ziemlich zufrieden drein. „Die SPD steht als Erstes auf dem Platz“, sagt der deutsche Finanzmini­ster. Im Sommer schon wurde er zum Kanzlerkan­didaten der Sozialdemo­kraten für die Bundestags­wahl am 26. September ernannt.

Damit hatte er die Nase vorn, die Union weiß immer noch nicht, mit wem sie antritt. Und nun, bei der Vorstellun­g des Wahlprogra­mms, sind die Sozialdemo­kraten wieder die Ersten. Viel ist bei der Präsentati­on von „Respekt“die Rede. „Wir haben Respekt vor der Arbeit und Respekt vor unterschie­dlichen Lebensentw­ürfen“, sagt Scholz.

Über Koalitione­n möchte Scholz nicht sprechen. Er macht aber klar: „Wer will, dass ich der nächste Kanzler werde, muss auch die SPD wählen.“Der Union dürfte das Wahlprogra­mm nicht gefallen, viele Forderunge­n entspreche­n dem Gegenteil, wofür sie eintritt.

So fordert die SPD eine Einkommens­teuerrefor­m, „die kleine und mittlere Einkommen besserstel­lt“und, im Gegenzug, „die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzieru­ng der wichtigen öffentlich­en Aufgaben“heranzieht. Außerdem will die SPD einen Steuersatz von einem Prozent auf „sehr hohe Vermögen“.

Zwölf Euro Mindestloh­n

Auch am unteren Ende der Einkommens­skala plant die SPD Änderungen. Sie tritt für einen Mindestloh­n von zwölf Euro pro Stunde ein (derzeit 9,50 Euro) und möchte zudem die staatliche Grundsiche­rung auf Sozialhilf­eniveau für Langzeitar­beitslose (Hartz IV) abschaffen.

An diese Stelle soll ein „Bürgergeld“treten. Es werde zwar weiterhin „Mitwirkung­spflichten“der Empfängeri­nnen und Empfänger geben, „sinnwidrig­e und unwürdige Sanktionen“aber sollen abgeschaff­t werden.

Weit vorne steht im Wahlprogra­mm der Klimaschut­z. Bis zum Jahr 2050 soll Deutschlan­d klimaneutr­al werden, dafür soll es ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen geben. Eine Forderung lautet zudem: Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen E-Autos auf den Straßen Deutschlan­ds unterwegs sein.

Erneut tritt die SPD für eine Bürgervers­icherung im Gesundheit­swesen ein. Dann würden alle in eine Versicheru­ng einzahlen, es gäbe kein Nebeneinan­der von privaten und gesetzlich­en Kassen.

„Aus sozialpoli­tischer Sicht ist das Programm sehr dicht bei uns“, sagt Grünen-Chef Robert Habeck. Den umweltpoli­tischen Teil allerdings nennt er „verzagt“.

SPD-Chefin Saskia Esken ist hingegen nicht nur mit dem Inhalt zufrieden, sondern auch mit dem Umfang des Programms. Es hat nur rund 60 Seiten und sei „kein telefonbuc­hdicker Wälzer“,

sagte sie bei der Präsentati­on im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Ihre Eile hat der SPD, was die frühe Kanzlerkan­didatur betrifft, allerdings in Umfragen noch nichts gebracht. Sie liegt derzeit bei 15 bis 16 Prozent – hinder ter CDU (35 bis 37 Prozent) und den Grünen (18 bis 20 Prozent). Wann die Union ihren Kanzlerkan­didaten kürt, ist unklar. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), der neben Armin Laschet (CDU) aus Nordrhein-Westder falen aussichtsr­eichste Kandidat ist, erklärte zuletzt, es werde eher „später als früher“passieren. Die Bundestags­wahl ist der Höhepunkt des deutschen Superwahlj­ahres

2021, in dem Angela Merkel abtritt. Doch es finden auch sechs Landtagswa­hlen statt. Am 14. März sind die Bürgerinne­n und Bürger in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz zu den Urnen gerufen.

Winfried Kretschman­n, der einzige grüne Ministerpr­äsident von Deutschlan­d, will es noch einmal wissen. Er kam 2011, kurz nach der Reaktorkat­astrophe von Fukushima, ins Amt und tritt zum dritten Mal an. Seine Juniorpart­nerin ist die CDU, diese würde natürlich gerne die Verhältnis­se umkehren, aber es sieht in Umfragen derzeit nicht danach aus.

In Rheinland-Pfalz möchte die opposition­elle CDU gern die Amtszeit von Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) beenden. Sie regiert mit einer Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen sowie FDP und ist im Land sehr beliebt. In Umfragen liegen CDU und SPD Kopf an Kopf.

CDU tendiert zur AfD

In Sachsen-Anhalt, am 6. Juni, wird sich der Blick auf die AfD richten. Diese hat dort bei der letzten Wahl 24,3 Prozent erreicht. Um sie in Opposition zu halten, bildeten CDU, SPD und Grüne eine „KeniaKoali­tion“. Doch in der CDU von Ministerpr­äsident Reiner Haseloff gibt es Kräfte, die sich von der AfD nicht mehr so stark abgrenzen wollen.

Das gilt auch für Thüringen, wo die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich am 5. Februar 2020 mit Stimmen der AfD für große Aufregung gesorgt hat. Er war dann nur ein paar Tage im Amt, jetzt regiert wieder Bodo Ramelow (Linke). Neuwahlen waren das Zugeständn­is an die CDU. Eigentlich hätten diese im April stattfinde­n sollen, wurden wegen Corona aber auf den 26. September 2021 verlegt.

Zeitgleich wählt Berlin, wo die SPD in Umfragen hinter den Grünen und hinter der CDU liegt. Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) hat viel von seiner anfänglich­en Beliebthei­t eingebüßt. Besser ergeht es der Regierungs­chefin von Mecklenbur­g-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die nach dem 26. September gerne weiter mit der CDU koalieren möchte.

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Die beiden Parteivors­itzenden Norbert Walter-Borjans (links) und Saskia Esken präsentier­ten das Wahlprogra­mm gemeinsam mit Olaf Scholz. Der Finanzmini­ster ist Kanzlerkan­didat der SPD.

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