Der Standard

Wie oft hat Pilnacek intervenie­rt?

Der nun suspendier­te Justiz-Sektionsch­ef Christian Pilnacek wird verdächtig­t, widerrecht­lich in zwei Verfahren eingegriff­en zu haben. Er bestreitet das, doch im Justizpala­st befürchten einige, dies sei erst die Spitze des Eisbergs.

- Fabian Schmid

Umstritten ist Christian Pilnacek seit Jahren. Besonders SPÖ und Neos haben sich auf den mächtigen Sektionsch­ef eingeschos­sen, später auch die FPÖ. Seine Befragung im U-Ausschuss offenbarte Konfliktpo­tenzial weit jenseits der Sachebene: Der rote Fraktionsf­ührer Jan Krainer sei ein „Wurstsemme­lmampfer“, dessen Nahrungsau­fnahme im Parlament „unwürdig“sei, während Stephanie Krisper (Neos) so „nuschelt“, beschwerte sich Pilnacek. Sogar von „Mobbing“sprach der Spitzenbea­mte.

Tatsächlic­h gingen die Vorwürfe gegen den Juristen jahrelang ins Leere. Nie konnte nachgewies­en werden, dass Pilnacek als Chef der Strafrecht­ssektion tatsächlic­h widerrecht­lich Einfluss auf Ermittlung­en genommen habe. Verfahrens­schritte zu prüfen und gegebenenf­alls eine Weisung zu erteilen: Genau das war ja auch die Aufgabe, die Pilnacek als Sektionsch­ef hatte.

Handyabnah­me

Zwar gab es immer wieder Anzeigen und Verdachtsp­rüfungen; Ermittlung­en wurden aber meist in einem sehr frühen Stadium eingestell­t – falls sie überhaupt aufgenomme­n wurden. Dieses Mal ist es anders: Vergangene Woche wurde Pilnaceks Handy beschlagna­hmt und der Sektionsch­ef suspendier­t. Anlass dafür ist der Verdacht, dass Pilnacek eine anstehende Hausdurchs­uchung beim Milliardär Michael Tojner verraten habe, und zwar an dessen Rechtsbera­ter Wolfgang Brandstett­er – den Pilnacek aus dessen Zeit als Justizmini­ster bestens kennt.

Die beiden sind freundscha­ftlich miteinande­r verbunden, hielten zum Beispiel gemeinsam Seminare an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Brandstett­er bestreitet die Vorwürfe mit Nachdruck, der einstige Justizmini­ster

– der von der ÖVP nominiert worden war – befindet sich derzeit im Krankenhau­s.

Die Causa rund um Tojner (ein Porträt des Unternehme­rs lesen Sie auf Seite 13) ist nicht die einzige, bei der Pilnacek Unregelmäß­igkeiten rund um eine Hausdurchs­uchung vorgeworfe­n werden. So gab der Sektionsch­ef im U-Ausschuss an, er habe von der Razzia bei Öbag-Chef

Thomas Schmid erst im Nachhinein erfahren. Justizinte­rne Dokumente, die ein Hinweisgeb­er an die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) geschickt hatte, zeigten jedoch, dass Pilnacek doch vorab „fernmündli­ch“von der anstehende­n Hausdurchs­uchung erfahren hatte. Schon zuvor hatte die WKStA vor einer Befangenhe­it des Sektionsch­efs gewarnt.

Wegen des Verdachts auf Falschauss­agen im Ibiza-Ausschuss ermittelte die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck, bei der bereits ein anderes Verfahren gegen Pilnacek anhängig war. Hier ging es um die Frage, ob der Sektionsch­ef widerrecht­lich in die Ermittlung­en zur Causa Stadterwei­terungsfon­ds eingegriff­en habe. Die WKStA ermittelte damals gegen mehrere Sektionsch­efs im Innenminis­terium,

denen Malversati­onen bei der Auflösung des Stadterwei­terungsfon­ds vorgeworfe­n worden waren. Die Ermittlung­en drehten mehrere Runden in der Weisungske­tte, ein für die Beweisführ­ung zentraler Strang wurde per Weisung eingestell­t. Erst im Jänner wurden die Sektionsch­efs nun rechtskräf­tig freigespro­chen.

Hoher Einsatz für Justiz

In beiden Verfahren, die die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck gegen Pilnacek führt, wurde bereits ein Vorhabensb­ericht an das Justizmini­sterium übermittel­t. Dort prüfen nun Generalanw­älte der Finanzprok­uratur die Ermittlung­sergebniss­e: Der Zugriff auf „externe“Juristen soll erfolgen, um Befangenhe­iten zu vermeiden, in Innsbruck liegt das Verfahren, weil auch die für die StA Wien zuständige Oberstaats­anwaltscha­ft Wien betroffen ist.

Das dritte Verfahren im Zusammenha­ng mit der Tojner-Hausdurchs­uchung wird in Wien geführt, weil bezüglich einer Vorabinfo zur Tojner-Hausdurchs­uchung schon länger gegen unbekannte Täter ermittelt worden ist. Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern – es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Und welche Bedeutung hätten, rein hypothetis­ch, mögliche Verurteilu­ngen von Brandstett­er und Pilnacek für die Strafverfa­hren und Weisungen, die in ihre Amtszeit fielen? „Wenn jemand zu Unrecht verurteilt wurde und Pilnacek die entspreche­nde Weisung erteilt hat, könnte es allenfalls zu einer Wiederaufn­ahme der Verfahren kommen“, sagt der Verfassung­sexperte Heinz Mayer. „Wenn jemand zu Unrecht nicht angeklagt wurde, dann wird man wohl nichts tun können, weil die Fälle verjährt sind.“

 ??  ?? Sektionsch­ef Christian Pilnacek (links) und Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (rechts).
Sektionsch­ef Christian Pilnacek (links) und Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (rechts).

Newspapers in German

Newspapers from Austria