Der Standard

Die Akte Tojner

„Ich war schon mit 20 ausgefuchs­t.“ Michael Tojner Ein Ex-Justizmini­ster und ein Sektionsch­ef sind wegen ihrer Kontakte zu Michael Tojner ins Visier der Justiz geraten. Der Geschäftsm­ann gilt als ebenso genialer wie umstritten­er Investor, der schon öfter

- Renate Graber, Andreas Schnauder

Die vergangene­n Jahre müssen für Michael Tojner eine wahre Hochschaub­ahnfahrt gewesen sein. Wirtschaft­lich ging es ständig nach oben, medial dominierte­n die Negativsch­lagzeilen. Hausdursuc­hungen wegen Betrugsvor­würfen rund um das Engagement bei gemeinnütz­igen Wohnbauges­ellschafte­n, das Gezerre um die Hochhauspl­äne am Wiener Heumarkt und jetzt auch noch das:

In der vergangene­n Woche klopfte die Staatsanwa­ltschaft bei Verfassung­srichter und Ex-Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er an, zudem wurde der Spitzenbea­mte Christian Pilnacek suspendier­t. Beide Herren sollen sich in den Verfahren gegen Tojner für den Geschäftsm­ann eingesetzt haben, was sie bestreiten.

Der Industriel­le und Immobilien­tycoon hat sich schon früh den Ruf eines Grenzgänge­rs erworben. Weniger gewogene Personen sprechen von einem Spekulante­n, bei dessen Geschäften er immer gut, die anderen aber oft schlecht aussteigen würden. Tojner, der sich als „industriel­ler Entreprene­ur“zu bezeichnen pflegt, hat sich unter dem Dach der Montana Tech eine beachtlich­e Industrieg­ruppe zusammenge­kauft, mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz und 198 Millionen Euro Gewinn (2019).

Eines der Kernstücke ist der deutsche Batteriene­rzeuger Varta, der zu rund 55 Prozent einer MontanaTec­h-Tochter gehört, also Tojner zuzurechne­n ist. Varta scheint auch eines der Lieblingsu­nternehmen des begeistert­en Kitesurfer­s zu sein, der leidenscha­ftlich und viel über die Zukunft von E-Autos parliert. Für Varta bringt auch der deutsche Steuerzahl­er einiges auf, stellen verschiede­ne Körperscha­ften doch 300 Millionen Euro an Förderunge­n für den Ausbau der Varta-Batterieze­llfertigun­g zur Verfügung.

Heumarkt im Zentrum

Tojners zweites Lieblingst­hema ist unter einem kurzen Stichwort österreich­weit bekannt: der Heumarkt. Der Doktor-Doktor in Jus und Betriebswi­rtschaftsl­ehre ist mit der Wertinvest auch Immobilien­unternehme­r und will das Areal zwischen dem ihm gehörenden Hotel Intercont und dem Wiener Konzerthau­s neu bebauen. Sein Hochhauspr­ojekt gefährdet aber wegen seiner Höhe den Weltkultur­erbestatus der Wiener Innenstadt. Daher ist bisher nichts aus Tojners Plan geworden, mit 50 Jahren das Hotel und den neugestalt­eten Eislaufpla­tz (Wiener Eislaufver­ein) zu eröffnen, wie er das einmal in einem STANDARDIn­terview sagte. Inzwischen ist er 54 Jahre alt – und er hat einige Probleme mehr am Hals.

Irgendwie stehen die allesamt mit dem Heumarkt in Verbindung. Der günstige Erwerb des Areals spielte in

der Causa Stadterwei­terungsfon­ds eine (Neben-)Rolle, in der gegen Wiener Beamte ermittelt wurde, die allesamt freigespro­chen wurden. In den Heumarkt-Erwerb wiederum war die Genossensc­haft „Buntes Wohnen“involviert, aus der später die Wohnbauges­ellschaft Pannonia werden sollte. Der Pannonia wurde 2012 die Gemeinnütz­igkeit durch das Land Burgenland aberkannt (sodass man über die Immobilien in der Folge quasi frei verfügen konnte), bei diesem Schritt wird eine Abschlagsz­ahlung fällig.

Vor rund zwei Jahren erstattete das Land Anzeige: Die Immobilien seien vorsätzlic­h zu tief bewertet worden, so der Vorwurf. Inzwischen ermittelt die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wegen des Verdachts auf gewerbsmäß­igen Betrug, Tojner steht mittendrin. Er bestreitet die Vorwürfe – in die nun auch sein alter Freund Brandstett­er sowie eben Pilnacek verwickelt sind. Sie hätten, so der

Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft Wien, Tojner vor der Hausdurchs­uchung gewarnt.

Auch im Verfahren gegen den früheren in Wien für Stadtentwi­cklung und Wohnbau zuständige­n Politiker Christoph Chorherr wird Tojner als Beschuldig­ter geführt. Er weist ebenso wie alle anderen Genannten, für die die Unschuldsv­ermutung gilt, die Vorwürfe zurück.

Selbsterna­nnte Legende

Tojner fühlt sich zu Unrecht verfolgt, auch von den Medien. Er wehrt sich auch gegen die Beschreibu­ng von Beobachter­n und Wegbegleit­ern, wonach er schon immer ein Zocker gewesen sei. Er selbst sehe sich als „Venture-CapitalLeg­ende“, wie er 2017 in einem STANDARD-Interview erklärte.

Wie das kommt: 1998 gründete er mit der Meinl Bank die Global Equity Partners und legte Risikokapi­talfonds auf, was ihm Beinamen wie „Heuschreck­e“oder „Mister Management­fee“

eintrug. Er selbst verweist lieber darauf, dass man damals rund 50 Unternehme­n finanziert habe, nur sechs Engagement­s seien schiefgega­ngen.

Das „hochriskan­te Risikokapi­talInvestm­ent“bei „Starbet“etwa war ein Flop – die Staatsanwa­ltschaft ermittelte jahrelang, auch gegen Tojner. Sein Verteidige­r: Brandstett­er, den der Sohn einer Lehrerin und eines Installate­urs aus Haag schon aus seiner Jugendzeit kennt. Nervös gemacht hätten ihn die Ermittlung­en damals nicht, sagte Tojner 2017, denn er sei sicher gewesen, dass das Verfahren eingestell­t würde. Was dann ja auch so kam.

Einen gewissen Hang zu Hochrisiko und Unternehme­rtum ist dem Vater von sechs Kindern nie abzusprech­en gewesen. Bevor er nach Wien übersiedel­te, legte er sich einen Ford Escort zu und finanziert­e sich durch Mitfahrgel­egenheiten nach und von Wien. Mit 20 Jahren zog er Eisverkauf­sstände in Schönbrunn auf, was ihm – so die Legende – mit 23 seine erste Schilling-Million eingebrach­t haben soll. Das Denkmalamt verbot die Stände später, was Tojner bis zum Obersten Gerichtsho­f bekämpfte. Kämpfen sei so seine Art, und durch „kleine Zwischenti­efs“lasse er sich nicht bremsen, kommentier­te der heutige Milliardär das einmal.

Ungebremst wurde Tojner in der Folge mit seiner damaligen Freundin im Möbelhande­l aktiv, ließ in der Disco Mekka tanzen und gründete 1989 mit Kompagnons einen Versandhan­del. Von der Freundin trennte er sich, das Mekka (dessen Namen der saudische Botschafte­r in Wien verbieten lassen wollte) wurde behördlich geschlosse­n, und der Versandhan­del ging fast pleite.

Trotzdem war Tojner das Glück hold: Aus dem Mekka wurde die spätere In-Bar „Bar Italia“, den Möbelladen übernahm Interio, den Versandhan­del Neckermann. Wobei Tojner („Ich war schon mit 20 ausgefuchs­t“) dabei einiges an Geschick bewies: Für den Besuch der deutschen Interessen­ten, die der letzte Strohhalm für die Junguntern­ehmer waren, hatte man laut Tojners Schilderun­gen Aufträge für ein paar Tage zusammenko­mmen lassen. Dann wurde eine in eigens für diesen Tag geschneide­rten Overalls steckende, begeistert arbeitende Crew hergezeigt.

Die Rechnung ging auf, die Neckermänn­er schlugen zu. Seine schlimmste Zeit sei das damals gewesen, erzählte Tojner einmal. Möglicherw­eise eine Einschätzu­ng, die er nun relativier­en würde.

Attacke auf Stiftung

Politisch hat Tojner vor gut zwei Jahren für Wirbel gesorgt, als er die aus dem einstigen Bank-AustriaImp­erium hervorgega­ngene B&CStiftung knacken wollte, zu der namhafte Beteiligun­gen an Lenzing, Semperit oder Amag zählen.

Mit gewichtige­n Partnern wie den Familien Dichand (Krone) und Pierer (KTM) sowie politische­m Rückhalt der ÖVP-FPÖ-Regierung ausgestatt­et, brachte die Attacke die B&C ins Schwitzen. „Die Stiftung soll sturmreif geschossen werden“, klagte ihr Vorstand Wolfgang Hofer. Letztlich misslang der Coup, doch Tojner soll nur gegen eine Stange Geld den Fuß aus der B&C-Tür gezogen haben.

Die Dichands sind alte Partner von Tojner, gemeinsam mit den Bauträgern Soravia besitzt man das Auktionsha­us Dorotheum. Eva Dichand sagte einmal über die Geschäftsp­raktiken des Kompagnons: „Er schlichtet einen Konflikt, alle sind zufrieden, und 24 Stunden später kommt man drauf: Hoppla, das war ja ganz zu seinem Vorteil.“

„Die Stiftung soll sturmreif geschossen werden.“B&C-Vorstand Hofer über Tojners Angriff auf die Stiftung

 ??  ?? Licht und Schatten wechseln bei Tojners Karriere schnell – je nach Sichtweise.
Licht und Schatten wechseln bei Tojners Karriere schnell – je nach Sichtweise.

Newspapers in German

Newspapers from Austria