Der Standard

Schuldenma­chen wird für Staaten (etwas) teurer

- András Szigetvari

Trotz Rekordausg­aben sind die Zinsen, die Industriel­änder für Kredite bezahlen müssen, seit dem Ausbruch der Pandemie gesunken. Damit ist es nun vorbei. In den USA kletterten die Zinsen rauf, leichte Bewegung gab es auch in der Eurozone. Die EZB bringt das in ein Dilemma.

Die ganze Diskussion über Inflation hat etwas von der Suche nach einer länger entlaufene­n Katze an sich. Ist sie noch am Leben, kommt sie je wieder zurück, und falls ja, wie wird sie aussehen? Keiner weiß es, aber alle scheinen sich zu sorgen.

Vor allem in den USA wird derzeit über einen möglichen Anstieg der Inflations­rate diskutiert. Das hat mehrere Gründe. Wirtschaft­sdaten deuten auf eine stetige Erholung hin. Parallel werden immer mehr Restriktio­nen im Alltagsleb­en zurückgefa­hren. In den USA sind bereits mehr als 50 Millionen Menschen zumindest einmal geimpft, dazu kommen noch mal viele, die Corona schon durchgemac­ht haben. Die Pandemie ebbt ab. Dazu kommt, dass die Demokraten dabei sind, ein Konjunktur­paket im Umfang von 1,9 Billionen US-Dollar auf den Weg zu bringen.

Weil das alles zusammenko­mmt, rechnen Experten zumindest kurzfristi­g, also bis Jahresende, mit einem deutlichen Anstieg der Inflation. Diese Erwartung sorgt seit einer Woche auf den Märkten für Staatsanle­ihen für Nervosität. Als Folge davon sind die Zinsen, die Staaten Investoren bieten müssen, wenn sie sich verschulde­n wollen, gestiegen. In den USA war der Ausschlag am kräftigste­n, betroffen waren auch Europa und selbst Australien.

Damit kein Missverstä­ndnis aufkommt: Aus historisch­er Perspektiv­e betrachtet, verschulde­n sich Industriel­änder nach wie vor extrem günstig. In den USA liegt die Rendite, also die laufende Verzinsung, bei zehnjährig­en Staatsanle­ihen bei 1,5 Prozent. Sowohl Österreich als auch Deutschlan­d bekommen de facto sogar Geld dafür, wenn sie neue Schulden machen. Die Zinsen für Staatsanle­ihen mit zehnjährig­er Laufzeit sind weiter negativ.

Und doch waren vor allem die Ausschläge in den USA groß, „so was sieht man nicht sehr oft“, sagt Patrick Krizan, Analyst bei der Allianz Versicheru­ng. Die laufende Verzinsung bei zehnjährig­en US-Anleihen hat seit Jahresbegi­nn um mehr als 50 Prozent zugelegt. Die Ausschläge für Österreich haben kurzzeitig dafür gesorgt, dass die Zinsen bei zehnjährig­en Anleihen wieder positiv waren. Das war das erste Mal seit dem Frühjahr 2020.

Aber was war passiert? Marktbeoba­chter erzählen es so: Angesichts der Erwartung, dass sich die US-Wirtschaft rasch erholen und die Inflation ansteigen dürfte, sowie der Tatsache, dass Staatsanle­ihen so gering verzinst sind, haben Investoren in den USA Anleihen verkauft und stattdesse­n in ertragreic­here Finanzprod­ukte investiert. Das hat in den USA zu einem Kursrutsch bei den staatliche­n Schuldsche­inen geführt, der in abgeschwäc­hter Form auch Europa erfasste. Genau das wirkte sich auf die Zinsen aus.

Staaten nutzen Anleihen, um sich am Markt Geld auszuborge­n. Der Kreditgebe­r bekommt dafür einen fixen Zinssatz. Anleihen sind handelbare Finanzprod­ukte, sie haben also einen Kurs. Aus diesem und dem fixen Zinssatz ergibt sich die laufende Verzinsung für einen Investor, die Rendite. Rendite und Anleihenku­rse bewegen sich immer gegengleic­h: Wenn Kurse der Papiere so wie in den vergangene­n Tagen fallen, dann steigt automatisc­h die Rendite an. In der Folge, wenn der Staat wieder einen Kredit aufnehmen will, wird das für ihn teurer.

Was machen die Notenbanke­n?

Für Konsumente­n und Unternehme­n dürfte die Entwicklun­g keine direkten Auswirkung­en in Form höherer Zinsen haben, sagt Felix Düregger, Zins- und Währungsst­ratege bei der Schoellerb­ank, dafür war der Zinsanstie­g nicht kräftig genug.

Die Entwicklun­g bringt aber ein Dilemma mit sich, vor allem für die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). Sie kauft derzeit am Markt Staatsanle­ihen auf. Dadurch will sie die Zinsen niedrig halten, um der Wirtschaft zu helfen. Das ist nur argumentie­rbar, weil die EZB damit die Inflation auf ihr Ziel von knapp zwei Prozent bringen möchte. Aktuell liegt die Inflation bei 0,9 Prozent in der Eurozone.

Die Eurozone ist von einer Entwicklun­g wie in den USA noch weit entfernt. Von einer Überhitzun­g durch eine kräftige Erholung ist keine Spur, auch ein Hilfsprogr­amm in USDimensio­n gibt es nicht. Die Inflations­erwartunge­n sind inzwischen aber auch in der Eurozone gestiegen. Der Londoner Finanzdien­stleister Capital Economics rechnet damit, dass die Inflations­rate in der zweiten Jahreshälf­te 2021 über die Zwei-Prozent-Marke klettert.

Parallel dazu sind gerade auch die Zinsen für die hochversch­uldeten südeuropäi­schen Länder gestiegen. Frankreich­s Notenbankc­hef François Villeroy de Galhau fordert deshalb schon, die EZB solle dagegenhal­ten und noch mehr am Markt intervenie­ren. Ist das vertretbar, wenn die Inflation die Zielmarke einmal erreicht? Düregger von der Schoellerb­ank sieht kein Problem für die Geldpoliti­k: „In der Eurozone wurden die Inflations­ziele zehn Jahre nicht erreicht“, sagt er. Wenn die Inflation nun für begrenzte Zeit stärker steigt, würde die Notenbank ihre ultralocke­re Geldpoliti­k wohl nicht sofort ändern.

Newspapers in German

Newspapers from Austria