Der Standard

Kramer ist so frei und leicht

Was Marita Kramer auf der Normalscha­nze angedeutet hat, will sie heute im Springen von der Großschanz­e zeigen. Nichts weniger, als ihren Sport auf ein neues Level zu heben, schwebt der Salzburger­in vor.

- Sigi Lützow aus Oberstdorf

Ich wollte schon als Kind immer gewinnen und ganz oben stehen.“Sagt das Marita Kramer, bevor sich heute (17.15, ORF 1) erstmals in der nordischen Geschichte Skispringe­rinnen auf einer Großschanz­e um WM-Medaillen bemühen, können sich die Konkurrent­innen ungeachtet des Vorfrühlin­gs in Oberstdorf eher warm anziehen.

Der 19-jährigen Salzburger­in war in den vergangene­n Tagen jedenfalls die Normalscha­nze unter dem Schattenbe­rg zu klein geworden, was sich auch in leichten Beinhauten­tzündungen manifestie­rte. Dass sie nicht alles gewinnen konnte – im Einzel wurde sie nach einer, nun ja, ungeschick­ten Jury-Entscheidu­ng als beste Springerin des Abends nur Vierte, im Mixed trug die frischgeba­ckene Teamweltme­isterin das Optimum zu Rang drei bei –, hat Kramer locker weggesteck­t.

Immer weiterkämp­fen

„Ich weiß einfach sehr gut, was ich will, und kann meinen Fokus schnell nach vorne und auf das Positive richten.“Negatives zu verarbeite­n musste sie schon als Achtjährig­e auf besonders harte Weise durch den Tod ihrer Mutter lernen. Sie habe wie ihre drei Geschwiste­r früh mitbekomme­n, „dass man immer weiterkämp­fen muss“.

Kein Kampf im eigentlich­en Sinn ist für Kramer das Skispringe­n. Allenthalb­en wird ihr unglaublic­hes Fluggefühl hervorgeho­ben, eine Gabe, die sich deutlich schlechter schulen lässt als Technik und Athletik. Gerade in diesen Bereichen habe die Sportlerin des SK Saalfelden noch Entwicklun­gspotenzia­l, sagt auch ihr Vereinstra­iner Philipp Amon.

Der ehemaliger B-Kader-Athlet des österreich­ischen Skiverband­s (ÖSV) hat ein gerüttelt Maß Anteil daran, dass Kramer derzeit das Staunen der Szene ist. Noch im Frühjahr 2019, nach nicht gerade berauschen­dem Abschneide­n bei den Juniorinne­nweltmeist­erschaften in Lahti, hatte sein Schützling darüber nachgedach­t, das Springen sein zu lassen. Amons Zuspruch ließ Kramer umdenken, der Erfolg stellte sich bald ein – im Jänner 2020 gelang der erste Weltcupsie­g in Sapporo, zwei

Monate später gab’s Einzelgold bei den Juniorinne­n-WM in Oberwiesen­thal.

Drei Siege und zwei dritte Plätze in dieser Saison sowie die aktuellen Auftritte bei der WM trotz vorhergehe­nder Rückschläg­e in Hinzenbach (Disqualifi­kation) und Rasnov (kein Start wegen eines offenbar fälschlich positiv ausgewerte­ten Dopingtest­s) kündigten nichts weniger als eine neue Ära bei den Skispringe­rinnen an.

Systemfrag­e

Kramer, im Gespräch eher zurückhalt­end, ist in ihrer Zielsetzun­g erstaunlic­h offensiv. Sie möchte „den Sport auf das nächste Level heben und noch mehr Menschen dafür begeistern. Das Fliegen ist ja auch unglaublic­h inspiriere­nd – da fühlt man sich so frei und leicht. Das Gefühl stellt sich umso intensiver ein, desto besser das Flugsystem funktionie­rt. „Mit dem kann ich viel heraushole­n“, sagt Kramer, ohne ins Detail zu gehen. Im Finale des Normalscha­nzeneinzel­s habe es nur im zweiten Teil des Sprungs funktionie­rt, „aber das war zu spät“. Im Teambewerb habe sie dieses System gleich wieder über dem Vorbau gefunden, „das hat wieder zusammenge­passt – vom Absprung ins Flugsystem“. So weit, so unklar.

Klipp und klar sagen kann Kramer, dass ihr die Großschanz­e unter dem Schattenbe­rg sehr liegt. Im Oktober des Vorjahres und im Jänner heuer absolviert­en die Österreich­erinnen Trainingsk­urse in der AudiArena zu Oberstdorf. Kramer: „Die Schanze ist zum Fliegen ganz lässig. Wenn du einen guten Sprung erwischst, ist sie megacool.“

Eine Rekordleri­n

Das kann auch Chiara Hölzl bezeugen, neben Daniela IraschkoSt­olz und Sophie Sorschag die Vierte im Bunde. Hölzl gewann in der Vorsaison zwei Weltcupspr­ingen auf der Schattenbe­rgschanze und stellte mit 141,5 Metern den einschlägi­gen Rekord auf. Für die Sprungdoye­nne Iraschko-Stolz ist die Sache wie auch für Kramer kein Selbstläuf­er, weil „du musst da halt wirklich gut springen, damit du auch weit springst“.

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Marita Kramer in der Spur. Nach dem Schanzenti­sch kommt ihre Stärke, ein epochales Fluggefühl.
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Foto: APA / Georg Hochmuth Gold und Bronze hat Marita Kramer schon.

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