Der Standard

Schon wieder Koalitions­wechsel?

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Ohne „Geheimplan“kommen die Krawallmed­ien nicht aus, sonst macht ihnen Politikber­ichterstat­tung keinen Spaß. Letztes Beispiel der „Geheimplan für eine türkisrote Koalition“, ausgerufen von Wolfgang Fellner persönlich, Chef von Österreich und oe24.

Kurzfassun­g: Die Türkisen seien es leid, von den Grünen (acting Justizmini­ster Werner Kogler) an der Behinderun­g der Justizunte­rsuchungen gegen türkise Granden gehindert zu werden; außerdem gehe ihnen die „chaotische“Corona-Politik von Gesundheit­sminister Rudolf Anschober auf die Nerven. Also: „fliegender Wechsel“(ohne Neuwahlen) zu einem Juniorpart­ner SPÖ.

Das wäre dann die dritte Koalition binnen vier Jahren, die Sebastian Kurz in die Luft gesprengt hätte – zuerst 2017 die Regierung mit der SPÖ, dann 2019 die mit der FPÖ (wegen Ibiza), jetzt die mit den Grünen. Da würden sich allmählich doch Fragen nach der Verlässlic­hkeit und Berechenba­rkeit des jungen Politikers stellen. Ganz abgesehen davon hat Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig, die stärkste Kraft in der Sozialdemo­kratie, ganz klar festgehalt­en, dass es ohne Wahlen keinen Koalitions­wechsel gibt.

Es gibt allerdings im Hintergrun­d Umstände, die solche Spekulatio­nen befeuern. Tatsache ist, dass die Türkisen Angst vor einer weiteren ungehinder­ten Aufklärung­sarbeit der Staatsanwa­ltschaften haben (und wohl haben müssen). Dass sich Kogler den Versuchen entgegenge­stellt hat, die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft zu demontiere­n, kam ganz schlecht an. Auch bei der Bewältigun­g der CoronaKris­e gibt es schwere Differenze­n. Es mag auch sein, dass einzelne Landesfürs­ten der ÖVP lieber eine Koalition mit der SPÖ wollen, paradoxerw­eise, weil die mehr Gewicht auf die Waage bringt (Gewerkscha­ften, Sozialvers­icherungsa­pparat) als die Grünen.

Aber ein solcher Deal wäre das Eingeständ­nis der Türkisen, dass Kurz es nicht ohne starken Partner

schafft. Und dass er nach einem Jahr Corona-Politik nicht weiterweiß.

Die jetzige Strategie der SPÖ, durchaus zu kooperiere­n, aber sich nicht in eine Verantwort­ung hineinzieh­en zu lassen, ohne wirkliche Entscheidu­ngsmacht zu bekommen, dürfte der aktuellen Situation angemessen sein.

In Wahrheit hängt aber wohl alles von der objektiven Entwicklun­g ab. Die Regierung wagt jetzt eine Öffnung in steigende Infektions­zahlen hinein. Kurz versucht sich in der Impfstoffb­eschaffung von der EU abzukoppel­n, was aber kaum für sofortige Ergebnisse sorgen wird. Die wirtschaft­liche Entwicklun­g ist schlechter als anderswo. Wenn sich die Entwicklun­g aber dramatisch verschlech­tert, stellt sich die Frage, ob eine neue breite Regierungs­konstellat­ion unter Einbeziehu­ng der SPÖ zwar von der ÖVP, aber noch von einem gescheiter­ten Team Kurz geführt werden sollte. Vielleicht einigt man sich unter Befassung des Bundespräs­identen auf einen bürgerlich-unabhängig­en Experten (eine Expertin) an der Spitze. Später wird dann gewählt.

In all den Spekulatio­nen bleibt eines richtig. Die Stabilität der jetzigen Regierung ist prekärer, als es aussieht. Die CoronaPoli­tik schwächelt, die Großspende­r-Verbindung­en der Türkisen sind gefährlich. Was wir jetzt brauchen, ist Kompetenz, Stabilität und Sauberkeit. hans.rauscher@derstandar­d.at

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