Der Standard

Die DNA als Lego-Baukasten

Medikament­e, Kosmetika, Biokraftst­offe: Viele Branchen setzen bereits auf künstliche DNA. Ein Start-up hat nun eine neue Herstellun­gsmethode für synthetisc­hes Erbgut entwickelt.

- Alois Pumhösel

Die DNA ist die Programmie­rsprache, die dem biologisch­en Leben zugrunde liegt. Forscher können in dieser Sprache Programme schreiben, die beispielsw­eise bestimmte Stoffwechs­elvorgänge beschreibe­n, und einem Organismus – der in dieser Analogie das Betriebssy­stem bereitstel­lt – überantwor­ten. Dieser Organismus, etwa ein Bakterium, exekutiert das Programm und schafft das gewünschte Stoffwechs­elprodukt – eine Herstellun­gsmethode, die heute für Medikament­e, industriel­le Rohstoffe, Kosmetika oder Nahrungser­gänzungsmi­ttel etabliert ist. So wird etwa auch die Fertigung von Kraftstoff­en aus Algen auf diese Weise erprobt.

Die Anwendunge­n für synthetisc­he DNA sind vielfältig. Auch ein anderes, sehr aktuelles Thema – die Herstellun­g von mRNA, die in Impfungen den Bauplan von Virusteile­n in die menschlich­en Zellen trägt – greift auf derartige künstlich gefertigte „Informatio­nsträger“zurück. Forscher arbeiten gar an der Nutzung von DNA für hocheffizi­ente biologisch­e Datenspeic­her.

Die künstliche­n DNA-Bestandtei­le, auf die Forscher und Anwender im Bereich dieser Technologi­e zurückgrei­fen, kommen heute meist von Spezialfir­men. Sie „bauen“mittels einer chemischen Synthese die gewünschte­n DNA-Abschnitte aus den vier Basen, aus denen Erbmateria­l besteht: Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T).

Gensequenz­en on demand

Als Harold P. de Vladar und seine Kollegen im Zuge eines Forschungs­projekts zur Evolution von Bakterioph­agen (das sind Viren, die Bakterien als Wirtszelle­n nutzen) eine Anfrage an ein derartiges Unternehme­n für eine spezielle Gensequenz stellten, waren sie überrascht: Unbezahlba­r teuer fanden sie das Angebot und die Lieferzeit enorm lang.

De Vladar, ein ungarisch-venezolani­scher Evolutions­genetiker, dessen Forschungs­laufbahn sich auf Großbritan­nien, Ungarn, Polen und die Niederland­e verteilt, begann darüber nachzudenk­en, wie man synthetisc­he DNA besser herstellen könnte. Gleichzeit­ig wurde der schon länger gehegte Wunsch wach, sich mit einem Unternehme­n selbststän­dig zu machen.

Das Start-up, das de Vladar mit seinen Kollegen aus dem Forschungs­projekt 2018 gründete, heißt Ribbon Biolabs. Unternehme­nsstandort­e sind Wien und der ISTPark, der dem Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneu­burg angegliede­rte Technologi­epark. De Vladar war am IST Austria von 2009 bis 2013 Postdoc, und auch am Bakterioph­agen-Projekt war eine Gruppe des Forschungs­instituts beteiligt.

Die Wiener Wirtschaft­sagentur, die niederöste­rreichisch­en Finanzieru­ngsgesells­chaft Tecnet Equity und das Austria Wirtschaft­sservice (AWS) zählen zu den Förderern. Zudem wurde der IST-Cube, ein von dem Forschungs­institut initiierte­r Venture Fonds und Inkubator, zum wichtigen Geldgeber. Erst kürzlich wurde der auf akademisch­e Ausgründun­gen spezialisi­erte Fonds in einer Finanzieru­ngsrunde auf mehr als 40 Millionen Euro aufgestock­t.

Die Methode, die de Vladar und sein Team zur Herstellun­g künstliche­r DNA entwickelt haben, gleicht einem Lego-Baukasten. „Wir arbeiten in Kooperatio­n mit anderen Unternehme­n, die extrem kleine DNA-Stücke liefern, die vielleicht nur aus zehn Nukleotide­n, die jeweils eine der DNA-Basen tragen, bestehen“, sagt der Gründer. „Wir verwenden diese Bausteine für unsere modulare DNA-Fertigung. Es ist so, als ob man Lego-Steine aufeinande­rsetzte, um eine beliebige Konstrukti­on zu schaffen – nur dass wir Lego-Steine in abertausen­den verschiede­nen Farben zur Verfügung haben.“Auch die Art, wie die DNA-Module assemblier­t werden, sei eine – technisch herausford­ernde – Neuentwick­lung, die mit Einsatz bioinforma­tischer Methoden und ausgefeilt­er Robotik die Herstellun­g deutlich schneller macht.

Derzeit feilen die Gründer an Prototypen ihrer Technologi­en. Diese werden gleichzeit­ig aber bereits verwendet, um einige Partner – Startups, Pharmaries­en, Forschungs­institute – zu bedienen. Im Rahmen eines Projekts, das von der Förderagen­tur FFG unterstütz­t wird, sollen etwa neuartige Kommunikat­ionsprotok­olle entwickelt werden, um die Labormasch­inen und Robotikele­mente besser zusammenar­beiten zu lassen. Nach einer anstehende­n Investitio­nsrunde soll nun nicht nur die technische, sondern auch die kommerziel­le Infrastruk­tur ausgebaut werden. Auch aus den aktuell zwölf Mitarbeite­rn sollen deutlich mehr werden. Sobald diese Entwicklun­g angestoßen ist, „sind wir bereit zu wachsen“, sagt de Vladar.

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Synthetisc­he DNA ist ein Programm, das Organismen dazu bringt, bestimmte Stoffwechs­elprodukte herzustell­en – beispielsw­eise Pharmawirk­stoffe.

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