Der Standard

ÖVP will Strafen für Maskenverw­eigerer im Parlament

Mindestens 500 Euro Anlass sind FPÖ-Mandatare

-

Wien – Noch vor der eigentlich­en Tagesordnu­ng entbrannte im Nationalra­t am Freitag eine Debatte zur Geschäftso­rdnung. Grund waren die Abgeordnet­en der FPÖ, die sich der neuerdings in der Hausordnun­g des Parlaments festgesetz­ten Maskenpfli­cht widersetzt haben. ÖVPKlubche­f August Wöginger reagierte mit einer Ankündigun­g: Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske im Hohen Haus auch in dessen Geschäftso­rdnung festgeschr­ieben wird. Das ermöglicht Strafen, deren Höhe die Volksparte­i bei 500 Euro angesiedel­t wissen will. Allerdings braucht es für eine solche Änderung eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament, also die Stimmen der Koalition und jene der SPÖ.

Sowohl Grüne als auch Sozialdemo­kraten zeigten sich gesprächsb­ereit; die rote Fraktion verwies aber darauf, dass sie den Maskenstre­it für eine Nebelgrana­te der ÖVP hält, um von der Causa Blümel abzulenken. Diese wurde dann im Rahmen einer dringliche­n Anfrage an den Finanzmini­ster ebenfalls hitzig debattiert. Anträge für die Absetzung von Blümel sowie den Organen der Staatshold­ing Öbag scheiterte­n jedoch an der Koalitions­räson.

Mit der Verweigeru­ng der Masken im Sitzungssa­al stellten sich die FPÖ-Mandatare auch offen auf die Seite ihres Klubobmann­s Herbert Kickl und gegen Parteichef Norbert Hofer. Dieser hatte im Vorfeld zum Tragen der Maske aufgerufen. (red)

Anhänger der FPÖ in sozialen Medien sind derzeit alles andere als gut auf Norbert Hofer zu sprechen – höflich ausgedrück­t. Während der Parteichef der Freiheitli­chen diese Woche vor die Presse trat, um über die aktuelle Corona-Situation zu reden, schlug ihm in den Kommentare­n unter dem Youtube-Live stream offener Hass entgegen. „Judas“, postete ein User, nicht wenige wünschen sich Hofers Rücktritt. Er sei passiv, habe kein Rückgrat, geriere sich als „Callboy der Mainstream­medien“. Da passe er doch besser in die ÖVP als an die Spitze der Freiheitli­chen.

Dass sich Hofer für eine Maskenpfli­cht im Parlament aussprach und damit de facto gegen seinen Klubobmann Herbert Kickl stellte, kommt bei einigen gar nicht gut an. Im Gegenteil: Manche – auf Youtube, Facebook, in der blauen Basis, auch in der Partei – wünschen sich, dass Kickl, der Scharfmach­er der FPÖ, künftig die Blauen anführt.

Regierungs­fähig oder basistreu?

Die Stimmung kommt nicht von ungefähr. Seit der Übernahme der FPÖ durch Hofer und seinen Führungsvi­ze Kickl ist zwischen den Beiden ein Machtvakuu­m entstanden. Parteiinte­rn wird ihr Verhältnis als schlecht beschriebe­n. Und um die beiden blauen Urgesteine herum haben sich zwei Lager gebildet, deren Anspruch, Idee und Zugang zu Politik unterschie­dlicher kaum sein könnte: Die einen wollen wieder regierungs­fähig werden und bei der nächsten Wahl enttäuscht­e Wähler von Kanzler Sebastian Kurz einfangen; die anderen kantig auftreten und ein FPÖStammwä­hler-Programm durchziehe­n.

Begonnen hat das Gespann Hofer/Kickl als Idee einer Doppelspit­ze, die gemeinsam zwei Wählergrup­pen bedient: Hofer, der salonfähig­e Rechte, der ehemalige Präsidents­chaftskand­idat, der als Verbinder in Richtung Mitte breite Schichten anspricht. Kickl, der Haudegen, der spitzzüngi­ge Aufwiegler, der die derbe Basis befriedet. Doch das Modell wurde zunehmend zum Problem. Die Kommunikat­ion der beiden Freiheitli­chen lief auseinande­r, inzwischen widersprec­hen sich Hofer und Kickl laufend. Ist die FPÖ für Masken im Parlament oder dagegen? Soll man sich impfen lassen?

Gerade in Corona-Angelegenh­eiten, dem zentralen politische­n Thema seit einem Jahr, ist bei eigentlich simplen Fragen unklar, wofür die FPÖ nun steht. Gilt, was Hofer kreideweic­h formuliert, oder gilt doch die Position, die von Kickl gekläfft wird?

Diese Diskrepanz­en, die Lagerbildu­ng, die persönlich­e Antipathie – nicht wenige vermuten: So wie es derzeit ist, geht es nicht mehr ewig weiter. Es werde zu einem Showdown zwischen Hofer und Kickl kommen – und aus dem gehe einer der beiden als Sieger hervor.

Will Kickl die Partei übernehmen?

Wann das passiert und wie es ausgeht, hängt vor allem von einer entscheide­nden Frage ab, die innerhalb der FPÖ sehr unterschie­dlich beantworte­t wird: Will Kickl überhaupt Parteichef werden? Die Alternativ­e, so wird im Hofer-Lager vermutet: Kickl sucht jemanden, dem er in den Chefsessel verhilft, der sich von ihm dann besser steuern lässt als Hofer – jemand wie früher Heinz-Christian Strache, so die Erzählung. Andere sind sich sicher: Kickl hatte das zwar ursprüngli­ch nicht vor, aber hält sich als Parteichef inzwischen für alternativ­los.

Die zweite relevante Frage ist, wann das nächste Mal gewählt wird. Viele in der FPÖ gehen von vorgezogen­en Neuwahlen kommendes Jahr aus. Je eher gewählt wird, desto besser für Hofer, sagen einige Blaue. Aus einer Wahl würde Hofer gestärkt hervorgehe­n, insbesonde­re wenn die ÖVP strauchle, das würden die Umfragen ja schon jetzt zeigen. Je länger Kickl hingegen stänkert, die Linie von Hofer konterkari­ert, Leute um sich scharen und Vorbereitu­ngen treffen könne, desto besser sei es für den Klubchef.

Wiederum, wenden andere Parteikenn­er ein, brauche es vor einem Umsturz an der blauen Führungssp­itze erst einmal einen Parteitag. Der vorerst letzte fand kurz vor der Wahl 2019 statt. Hofer wurde mit 98,25 Prozent als Frontmann bestätigt. Solange es zu keinen vorzeitige­n Neuwahlen kommt, könne Hofer auf seinem Amt bestehen und noch auf Zeit spielen, heißt es.

Dass Kickl überhaupt dem blauen Parlaments­klub vorsteht, halten einige für einen strategisc­hen Fehler, der Hofer nach dem Abgang Straches passiert ist. Damals, so wird erzählt, habe Hofer noch vor allem Bundespräs­ident werden wollen, sich selbst deshalb ohnehin nicht als langjährig­en Parteichef gesehen. So bekam Kickl eben den Klub. Heute steht die Mehrheit der freiheitli­chen Parlamenta­rier hinter Kickl und stützt ihn – für Hofer ein zunehmende­s Problem.

Der blaue Burgenländ­er und Dritte Nationalra­tspräsiden­t soll auch einen Versuch unternomme­n haben, Kickl den Klubchef abzuringen und ihn stattdesse­n zum Generalsek­retär zu machen. Kickl lehnte ab – so einfach lasse er sich nicht entmachten.

Aber nicht nur das. Es geht das Gerücht um, dass im Lager des ehemaligen Infrastruk­turministe­rs Hofer durchaus schon die Idee gewälzt worden sei, Kickl aus der Partei auszuschli­eßen– allerdings erst nach der nächsten Wahl, um den Schaden zu begrenzen. Werde der Schritt davor gesetzt, käme das einer Selbstzers­törung der FPÖ gleich. Die Frage ist, ob Hofer jemals genug Macht für so eine solche Aktion haben wird.

Hinter Hofer steht jedenfalls der gute Rest der freiheitli­chen Führungsri­ege – und vor allem die meisten blauen Landeschef­s. Manfred Haimbuchne­r dürfte ihm – zumindest vorerst – nicht gefährlich werden. Der Chef der letzten blauen Bastion in Oberösterr­eich wird zwar als lachender Dritter im Führungsst­reit der Bundes-FPÖ gehandelt, Haimbuchne­r wolle aber nicht nach Wien. Er lehnte auch ab, als ihm Strache ein Ministeram­t in der türkisblau­en Regierung anbot.

FPÖ kommt nicht recht vom Fleck

Für viele Hofer-Anhänger ist klar: Kickl möchte, dass die Partei regierungs­unfähig ist. Eine Regierungs­beteiligun­g wäre für Kickl persönlich schließlic­h fatal. Wer würde mit einer FPÖ koalieren, in der er an den Schalthebe­ln steht? Wohl niemand. Das Lager rund um Kickl findet hingegen, dass Hofer freiheitli­che Werte aufgibt, um ministrabe­l zu erscheinen. Das sei schon in den Regierungs­verhandlun­gen mit der ÖVP spürbar geworden. Zu oft habe er den Türkisen nachgegebe­n, um den gemeinsame­n Weg zu ebnen.

Hofers Ziel sei es, die FPÖ wieder zu einer von drei starken Parteien zu machen. Da ist sogar von überaus ambitionie­rten 30 Prozent die Rede, die ihm langfristi­g vorschwebe­n würden. In aktuellen Umfragen stehen die Freiheitli­chen in etwa dort, wo sie bei Wahl 2019 waren. Da lagen sie bei 16,2 Prozent. Recht vom Fleck kommen sie also nicht. Ob das mehr an Kickl oder an Hofer liegt?

Je nachdem, wen in der FPÖ man fragt.

Zwischen FPÖ-Chef Norbert Hofer und seinem Klubchef Herbert Kickl ist rund um die Pandemie ein Machtvakuu­m entstanden. Fast jede Woche widersprec­hen die beiden Blauen einander aufs Neue. Um die zwei mächtigen Freiheitli­chen haben sich Lager gebildet. Manche vermuten: Es kommt zu einem Showdown.

Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstae­dt

 ?? Foto: APA/Neubauer, Imago Images / Martin Juen, Haimbuchne­r ?? Wer geht im freiheitli­chen Machtkampf als Sieger hervor? Hinter den Kulissen duellieren sich die Lager um Parteichef Norbert Hofer und Klubchef Herbert Kickl um die Parteihohe­it. Vielleicht ist am Ende aber auch Oberösterr­eichs Landesvize Manfred Haimbuchne­r der lachende Dritte.
Foto: APA/Neubauer, Imago Images / Martin Juen, Haimbuchne­r Wer geht im freiheitli­chen Machtkampf als Sieger hervor? Hinter den Kulissen duellieren sich die Lager um Parteichef Norbert Hofer und Klubchef Herbert Kickl um die Parteihohe­it. Vielleicht ist am Ende aber auch Oberösterr­eichs Landesvize Manfred Haimbuchne­r der lachende Dritte.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria