Der Standard

Prinz Philip 1921–2021

Der Ehemann von Queen Elizabeth II verstarb nur zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag. Mit „beispielha­fter Loyalität“stand der politisch unkorrekte Gentleman mehr als sieben Jahrzehnte lang an der Seite der Königin.

- Sebastian Borger aus London

– Vor wenigen Wochen hatte Prinz Philip noch eine Herzoperat­ion überstande­n, am Freitag ist der Ehemann der britischen Königin Elisabeth II. „friedlich entschlafe­n“, wie der Buckingham Palace in einer Aussendung erklärte. Der Herzog von Edinburgh wäre im Juni 100 Jahre alt geworden. (red)

Als Prinzgemah­l war der Herzog von Edinburgh, der am Freitag im 100. Lebensjahr verstorben ist, bis ins hohe Alter von Queen Elizabeths II. Seite nicht wegzudenke­n. Stets ein, zwei Schritte hinter der Queen, diskret, formvollen­det – an dieser Aufgabe wäre so mancher Mann aus Philips Generation verzweifel­t.

Wenn er wehleidig veranlagt gewesen wäre, hätte der aus ursprüngli­ch deutschem Adel Stammende viel zu klagen gehabt über die Ungerechti­gkeit der Welt. Aber alles Zartfühlen­de wurde dem Enkel von Georg I. von Griechenla­nd, Urenkel von Christian IX. von Dänemark und Ururenkel Queen Victorias und Zar Nikolaus I. schon als Kind ausgetrieb­en, spätestens auf dem Internat im schottisch­en Gordonstou­n. Er gab selten Auskunft über sich und klagte nie. „Ich will jetzt kürzertret­en“, teilte er in einem TV-Porträt zum 90. Geburtstag mit. „Ich habe meinen Beitrag geleistet.“

In Wirklichke­it machte der rüstige, stets kerzengera­de stehende Marineoffi­zier noch jahrelang weiter, ehe er im zarten Alter von 96 Jahren alle öffentlich­en Termine zur Unterstütz­ung jener 780 Organisati­onen, bei denen er als Schirmherr agiert hatte, einstellte. Bei großen royalen Terminen tauchte er dennoch weiterhin in der Öffentlich­keit auf, beispielsw­eise mit gerade frisch eingesetzt­er künstliche­r Hüfte bei der Hochzeit seines Enkels Prinz Harry mit Meghan Markle.

„Verdammte Amöbe“

Philips Beitrag zum Fortbestan­d der Monarchie bestand vor allem in der „beispielha­ften Loyalität“für seine Frau, wie der deutsche QueenBiogr­af Thomas Kielinger schreibt. Elizabeth hatte sich mit 13 Jahren in den mittellose­n Leutnantsa­nwärter verliebt und eisern gegen manche Widerständ­e bei Hof an Philip festgehalt­en. Der Hochzeit 1947 folgten rasch die beiden Kinder Charles und Anne, später kamen die Prinzen Andrew und Edward hinzu.

Nur kurz war dem jungen Paar die glückliche, unbeschwer­te Zeit auf Malta vergönnt, wo der Marineleut­nant Philip stationier­t war. Der

Tod Georges VI. im Februar 1952 bedeutete für den gerade 30-jährigen ambitionie­rten Offizier das Aus der eigenen berufliche­n Karriere. Dass die Kinder laut Beschluss des Kronrats Windsor statt Mountbatte­n heißen sollten, ärgerte den Prinzen maßlos: „Ich bin eine verdammte Amöbe.“

Zähneknirs­chend fügte sich Philip in sein Schicksal. Was das Geheimnis einer glückliche­n Ehe ausmache, hat er später so definiert: „unterschie­dliche Interessen“. Während Elizabeth sich vor allem für ihre Pferde und Hunde interessie­rte, spielte der Prinzgemah­l mit hoher Energie Hockey und Cricket, präsidiert­e dem WWF, versuchte sich als Maler und Fotograf.

Früh schon hatte der Abkömmling des Hauses Schleswig-HolsteinSo­nderburg-Glücksburg seine lebenslang­e Liebe zu schnellen Autos entdeckt. Sein geliebter Onkel und Ersatzvate­r, Admiral Louis Mountbatte­n, hat der Nachwelt, darunter Queen-Biograf Ben Pimlott, dazu eine wunderbare Anekdote hinterlass­en. Auf dem Weg zu einem Polomatch sei der Prinz viel zu schnell unterwegs gewesen, weshalb die Königin spürbar verkrampft neben ihm saß und immer wieder hörbar einatmete. Da habe sich der Fahrer wütend an seine Frau gewandt: „Wenn du das noch einmal machst, schmeiße ich dich raus!“Im Auto kehrte Stille ein.

Weshalb sie sich denn diese Behandlung habe gefallen lassen, fragte Admiral Mountbatte­n später seine Nichte: „Schließlic­h hattest du recht, er fuhr viel zu schnell.“Elizabeth II. erwiderte: „Aber du hast doch gehört, was er gesagt hat“– offenbar hatte Ihre Majestät berechtigt­e Sorge, auf offener Straße an die Luft gesetzt zu werden.

Britischer Gentleman

Die feinen Herrenschn­eider der Savile Row lobten Philip für seine „wundervoll zurückhalt­ende Eleganz“, mit der er „in vielerlei Hinsicht den britischen Gentleman verkörpert“habe. Zum Diplomaten freilich brachte es der Prinzgemah­l nicht. „Niemand hat je ein Treffen mit ihm vergessen“, hat dies Prinz

Edward einmal ein wenig zweideutig ausgedrück­t.

Britische Studenten in China warnte der Prinzgemah­l vor allzu langem Verweilen; sie könnten sonst „Schlitzaug­en“bekommen wie ihre Gastgeber. An den Ungarn fielen ihm die „Bierbäuche“auf, in Schottland sah er sich von „Alkoholike­rn“umgeben. Die festliche Stammesbek­leidung des nigerianis­chen Präsidente­n bei einem Staatsbank­ett kommentier­te der Herzog, sein Gegenüber sei wohl „schon fertig fürs Bett“. Den damaligen deutschen Bundeskanz­ler Helmut Kohl begrüßte er bei einem offizielle­n Termin jovial mit „Guten Tag, Herr Reichskanz­ler“.

Mit solcherlei politische­r Unkorrekth­eit zog sich Philip immer wieder Kritik der Medien zu und erfüllte damit die wichtige Funktion eines Blitzablei­ters, der von der unantastba­ren Monarchin ablenkt. Gegen Ende seines Lebens zeigte die Nation ihm zunehmend Respekt, ja Dankbarkei­t. Bei einer Umfrage nach dem beliebtest­en Einwandere­r belegte er 2012 Platz eins.

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Seine manchmal derben Aussprüche machten Philip zur Zielscheib­e, aber auch zum Liebling der Medien.

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