Der Standard

Ein Minister an seinen Grenzen

Rudolf Anschober ist angeschlag­en. Das zweite Mal innerhalb von kurzer Zeit muss er eine Ruhepause einlegen. Der Job als Gesundheit­sminister ist in Zeiten der Pandemie extrem fordernd.

- Michael Völker

Rudi Anschober ist krank. Wie sehr, darüber kann nur spekuliert werden. Er selbst ist nicht erreichbar, ganz bewusst offenbar. Sein näheres Arbeitsumf­eld will oder kann keine verlässlic­he Auskunft geben. Aus seinem Büro heißt es, er kommt nächste Woche zurück. Mehr wisse man nicht, Gerüchte wolle man nicht kommentier­en. Und die gibt es.

Der Gesundheit­sminister hat darum ersucht, ein paar Tage in Ruhe gelassen werden. Er braucht eine Auszeit. Das führt jedenfalls dazu, dass bereits spekuliert wird, ob Rudi Anschober zurücktrit­t und aus der Regierung ausscheide­t. Nächste Woche könnte es so weit sein, heißt es. Eine Bestätigun­g dazu gibt es nicht, weder von Anschober selbst noch von grüner Seite. Dort verweist man darauf, dass sich die Gerüchte offenbar gerade verselbsts­tändigen: Je mehr recherchie­rt und telefonier­t werde, umso schneller macht das Gerücht eines bevorstehe­nden Rücktritts ungeachtet der Substanz die Runde. Viele Medien fragen bereits nach, auch innerhalb der Grünen wird gerätselt, spekuliert und nachgefrag­t.

Anschober ist nicht das erste Mal krank. Bereits im März musste er eine Auszeit einlegen, nach einem Zusammenbr­uch war er mehrere Tage im Krankenhau­s, wurde durchgeche­ckt, hat sich erholt, ist nach einer Woche wieder im Büro angetreten – zu einem Job, der extrem fordernd und zeitaufwän­dig ist. Im vergangene­n Jahr habe er ein einziges Wochenende frei gehabt, sonst sei er immer erreichbar gewesen, nahm Termine wahr, war am Werken. Ein Arbeitstag von 6 bis 24 Uhr sei normal, und das immer unter Hochspannu­ng – und oft genug mit Rückschläg­en versehen.

Im Mittelpunk­t

Die Ruhe, die Anschober oft ausstrahlt oder auszustrah­len versucht, täuscht hinweg über den stressigen Alltag, den der Gesundheit­sminister inmitten einer Pandemie zu bewältigen hat. Anschober kommt härter dran als alle anderen Regierungs­mitglieder. Er steht im Mittelpunk­t der Pandemiebe­kämpfung.

Vorgestell­t hatte sich Anschober das anders. Als er im Jänner 2020 als Minister für Soziales und Gesundheit angelobt wurde, war von Corona keine Rede, ließ sich das Ausmaß der bevorstehe­nden Pandemie noch nicht erahnen. Es sollte kein gemütliche­r Job werden, aber doch einer, dessen Aufwand überblickb­ar war. Wenige Wochen nach seinem Amtsantrit­t, am 25. Februar, wurden die ersten beiden Virusinfek­tionen in Österreich registrier­t: Zwei in Innsbruck lebende Italiener wurden positiv getestet. Zwei Wochen später erklärte die WHO die weltweite Ausbreitun­g der Erkrankung zur Pandemie. Der Gesundheit­sminister war plötzlich das wichtigste und zentrale Mitglied der Bundesregi­erung, stand im Fokus der öffentlich­en Aufmerksam­keit.

Die nächsten 13 Monate gab es kein Nachlassen und keine Erholung – weder in der Pandemie noch für Anschober. Bei dem 60-jährigen Oberösterr­eicher machten sich zuletzt körperlich­e Erschöpfun­gszustände bemerkbar. Anschober hat gelernt, auf seinen Zustand zu achten: Im Herbst 2013 bekannte er öffentlich ein Burnout ein und ging als Landesrat für mehrere Monate in den Krankensta­nd.

Streit mit Kurz

So gut Anschober in den diversen Politiker-Rankings abschneide­t, was ihm gewiss auch eine Befriedigu­ng verschafft, so sehr machten ihm auch die schärfer werdenden Auseinande­rsetzungen mit Sebastian Kurz (ÖVP) zu schaffen. Die verunglück­te Impfstoffb­eschaffung lastete der Kanzler dem AnschoberR­essort an, dort musste sich Clemens Martin Auer, ein Vertrauter des Ministers, zurückzieh­en.

Bei den Grünen ist man noch nicht aktiv auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolger­in, aber es werden immerhin schon Überlegung­en angestellt, wer Anschober im Fall des Falles nachfolgen könnte. Anschober selbst dürfte sich noch nicht festgelegt haben. Klar ist: Wer immer ihm nachfolgen könnte, tritt einen extrem herausford­ernden Job an und muss an die Grenzen gehen.

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Die Arbeit von Rudolf Anschober ist vom Kampf gegen die Pandemie geprägt – und extrem herausford­ernd.

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