Der Standard

Maskenfall im Parlament

Die unbedeckte­n Gesichter der FPÖ-Mandatare sorgten im Nationalra­t für Aufregung, die ÖVP will nun Sanktionen durchsetze­n. Ähnlich hitzig wurde über die Schmid-Chats und die türkise Familie debattiert.

- Sebastian Fellner

Wären Aerosole nicht unsichtbar, sondern nach Partei eingefärbt – sie wären im Plenarsaal des Parlaments wohl als blaue Wolke zu sehen. Die Nationalra­tssitzung am Freitag war die erste, in der die Maskenpfli­cht in der Hohen Hausordnun­g festgeschr­ieben war. Die meisten Abgeordnet­en hielten sich daran. Nur die Freiheitli­chen verweigert­en den FFP2-Schutz durch die Bank. Eine Provokatio­n: in freiheitli­cher Lesart ein Protest – allerdings auch ein deutliches Zeichen gegen die Linie von Parteichef Norbert Hofer, der damit eine Niederlage im innerparte­ilichen Machtkampf einstecken muss (siehe Artikel Seite 6).

Die nackten Gesichter des blauen Klubs lösten eine Geschäftso­rdnungsdeb­atte aus. August Wöginger, Klubobmann der Volksparte­i, empfand sie als „Zumutung“, FPÖ-Verfassung­ssprecheri­n Susanne Fürst spricht der Maskenpfli­cht hingegen ihre Rechtmäßig­keit ab.

Die juristisch­e Eskalation war schnell geschehen: Noch während der Debatte kündigte die Volksparte­i an, sich um die notwendige Zweidritte­lmehrheit für eine Maskenpfli­cht in der Geschäftso­rdnung bemühen zu wollen. Das wäre nötig, um eine Missachtun­g auch sanktionie­ren zu können. Den Türkisen schwebt eine Strafe von 500 Euro vor; für die Änderung benötigt die türkis-grüne Koalition auch die Stimmen der SPÖ.

ÖVP-Familienau­fstellung

Doch für diese Debatte ist der Nationalra­t am Freitag ursprüngli­ch nicht zusammenge­kommen. Anlass war eine dringliche Anfrage der FPÖ an Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) zu den publik gewordenen Chats zwischen ihm, Kanzler Sebastian Kurz (ebenfalls ÖVP) und dem nunmehrige­n Öbag-Chef Thomas Schmid. Der freiheitli­che Mandatar Christian Hafenecker eröffnete die Debatte erwartungs­gemäß mit Angriffen auf die ÖVP und adressiert­e Blümel „auf der Anklageban­k – Verzeihung, es ist ja noch die Regierungs­bank“. Die Volksparte­i habe „die ÖVPisierun­g der ganzen Republik“

von langer Hand geplant. Und „es würde mich interessie­ren, wie diese ÖVP-Familie tatsächlic­h aufgestell­t ist und wer da der Familienva­ter ist“.

Der attackiert­e Finanzmini­ster sorgte dann gleich mit seinem Einstiegss­atz für einen erhöhten Lärmpegel im Hohen Haus: „Ich liebe das Parlament“, das schienen ihm einige Abgeordnet­e nicht zu glauben. Das „aber“, das darauf folgte, ist bekannt: Einigen Mandataren gehe es hier nicht um Aufklärung, „sondern um Empörung, Skandalisi­erung und öffentlich­e Vorverurte­ilung“. Auch wenn im Parlament nun Maskenpfli­cht herrsche, sei „die Maske der Opposition im Untersuchu­ngsausschu­ss schon lange gefallen“, kritisiert­e Blümel.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger antwortete Blümel: Es möge schon sein, dass jeder und jede schon einmal peinliche SMS geschriebe­n habe – aber „mit Freunden. Es geht nicht um Staatsverm­ögen, es geht nicht um Machtmissb­rauch.“Mit jedem Tag, den Blümel weiter Finanzmini­ster bleibe, beschädige er das Amt.

Eva Maria Holzleitne­r (SPÖ) findet speziell die frauenfein­dliche Komponente der Chats („Weiber“, „Scheiß Quote“, „steuerbar“) „einfach nur niederträc­htig“. Bis heute habe sich die ÖVP dafür nicht entschuldi­gt. „Das letzte Mal, dass wir so ein Sittenbild vor Augen geführt bekommen haben, war in einer Finca auf Ibiza“, sagte die Mandatarin.

Für David Stögmüller (Grüne) zeigen die Chats des Koalitions­partners „ein schamloses Vorgehen“. Die Grünen würden nicht aufhören, im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss für Aufklärung zu sorgen, kündigte der Abgeordnet­e an. Dass Thomas Schmid seinen Vertrag als Öbag-Chef nicht verlängern wird, sei gut, aber „ein schnellere­s und vor allem konsequent­eres Vorgehen wäre angebracht gewesen“.

Koalition stabil

Im Abstimmung­sverhalten schlugen sich die durchaus harten Worte der Grünen freilich nicht nieder: Anträge zur Abberufung Blümels als Finanzmini­ster, Thomas Schmids als Öbag-Vorstand und der ÖbagAufsic­htsräte scheiterte­n an der türkis-grünen Koalitions­räson.

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FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker setzte die Maske auch nach seiner Rede nicht auf.

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