Der Standard

Mehr elektronis­che Fußfesseln und ein Bonussyste­m hinter Gittern

Reform des Strafvollz­ugs drängt, weil viele wegen Corona aufgeschob­ene Haftstrafe­n bald nachgeholt werden müssen

- Michael Simoner

Justizmini­sterin Alma Zadić hat ein ambitionie­rtes Ziel: Sie will den Strafvollz­ug in Österreich reformiere­n. Die wichtigste­n Knackpunkt­e dabei sind: Wie können die Häftlingsz­ahlen gesenkt werden? Wie kann erreicht werden, dass weniger Straftäter rückfällig werden? Wie kann die Justizwach­e ausgebaut und in anderen Bereichen Kosten eingespart werden?

Das Vorhaben ist auch ein Gebot der Stunde, denn manche Gefängniss­e, wie etwa die Wiener Justizanst­alt Josefstadt, sind überfüllt – und das, obwohl im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie per Verordnung festgelegt wurde, dass bei einer Verurteilu­ng wegen eines Vergehens (weniger als drei Jahre Höchststra­fe) der Haftantrit­t aufgeschob­en werden muss. Ausgenomme­n von dieser Regelung sind Verurteilu­ngen nach dem Sexualstra­frecht. Gefängniss­trafen wegen eines Verbrechen­s (mehr als drei Jahre Strafandro­hung) dürfen generell nicht aufgeschob­en werden. Dennoch ist damit zu rechnen, dass Hunderte der erwähnten Nachzügler in den kommenden Monaten die Situation in den Haftanstal­ten zusätzlich verschärfe­n werden.

Die Arbeitsgru­ppe Strafvollz­ug im Ministeriu­m schlägt nun folgende Reformen vor:

Hausarrest Der Einsatz des elektronis­ch ■ überwachte­n Hausarrest­s (EÜH) vulgo Fußfessel, mit der ein Teil der Strafe statt hinter Gittern in eingeschrä­nkter Freiheit verbüßt werden kann, soll massiv ausgebaut werden. Künftig soll nicht mehr nur auf Antrag der Betroffene­n, sondern amtswegig darüber entschiede­n werden. Der EÜH soll bis zu 24 HäfenMonat­e ersetzen können. Gegen Ende der Maßnahme soll es möglich werden, die Fußfessel zeitweise abzuschalt­en – also quasi ein digitaler Freigang.

Kurzfristi­ger Jobverlust – Arbeit und Unterkunft sind Voraussetz­ungen für den Hausarrest – soll nicht mehr wie bisher zur sofortigen Rückkehr ins Gefängnis führen. Betroffene erhalten Zeit, sich nach einem neuen Job umzusehen.

Die Entlastung durch den EÜH ist auch finanziell kalkulierb­ar: Ein Tag im Gefängnis kostet pro Häftling rund 130 Euro, ein Tag Fußfessel 25 Euro. Seit 2010, als die Maßnahme eingeführt wurde, habe man so rund 16 Millionen Euro eingespart, rechnet Friedrich König, der Generaldir­ektor des Strafvollz­ugs, vor.

Gutpunkte sammeln In der Haft ■ selbst soll ein Bonussyste­m eingeführt werden, um schneller zu einer etwaigen bedingten Entlassung oder Fußfessel zu kommen. Damit soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, aktiv gemeinscha­ftliche Aufgaben zu übernehmen oder bei gemeinnütz­igen Projekten in Justizanst­alten mitzuarbei­ten.

Vollzugspl­an Schon vor Haftantrit­t ■ soll künftig für und mit jedem Verurteilt­en ein individuel­ler Vollzugspl­an ausgearbei­tet werden. Dabei spielen berufliche Fähigkeite­n, handwerkli­ches Geschick und die Lage der Justizanst­alt eine Rolle. Sozialther­apeutische Angebote sollen die Resozialis­ierung verbessern und die derzeitige Rückfallqu­ote von 50 Prozent senken.

Pro Jahr gibt es in Österreich in strafrecht­lichen Verfahren rund 10.000 Freisprüch­e, 20.000 bedingte und 10.000 unbedingte Geld- oder Haftstrafe­n.

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