Helden des Alltags fühlen sich ausgelaugt
Aggressive Kunden, hoher Druck. Die einst beklatschten Beschäftigten im Handel seien „teilweise am Ende ihrer Kräfte“, beklagt die Gewerkschaft. Sie hat Forderungen an Arbeitgeber, Kundschaft und Regierung.
Renitente Kunden, die auf Aufforderungen, sich an Sicherheitsmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstand halten, aggressiv reagieren, Menschen, die einander in den Filialen genau deswegen beflegeln, zu viele Überstunden, unterschiedliche Einsatzorte mit erheblichen Anfahrtswegen: Geht es nach der Gewerkschaft GPA, ist für viele Handelsangestellte die Belastungsgrenze nun endgültig erreicht.
Das gelte vor allem im Lebensmittelhandel, der nun seit Monaten unter verschärften Bedingungen für die Kunden und Kundinnen geöffnet hat, sagt GPA-Gewerkschafterin Anita Palkovich am Freitag in einer Pressekonferenz. Zu den genannten Problemen kämen „Personalmangel und mangelnde Wertschätzung sowie fehlender Respekt der Kunden gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen“, so Palkovich.
Palkovich beruft sich auf eine Umfrage, die die Gewerkschaft jüngst unter knapp 3300 Gewerkschaftsmitgliedern im Handel durchgeführt hat – davon zwei Drittel weiblich und ein Drittel männlich. Vor allem im stationären Handel
habe man besorgniserregende Rückmeldungen bekommen, sagt die Gewerkschafterin. Die Beschäftigten seien „teilweise am Ende ihrer Kräfte“. Im Lebensmittelhandel fühlte sich gut ein Fünftel der Befragten „immer“gestresst, knapp zwei Fünftel „meistens“. Kaum jemand gab zu Protokoll, dass er „nie“unter Druck stehen würde.
Die Zentralbetriebsratsvorsitzende von Interspar und Vize-Vorsitzende des GPA-Wirtschaftsbereichs Handel, Sabine Eiblmaier und BillaBetriebsratsvorsitzender und GPAKollege Werner Hackl berichten ebenfalls von deutlich gestiegenem Druck von allen Seiten. „Letztes Jahr waren die Handelsmitarbeiter die beklatschten Helden – und jetzt?“Keiner rede mehr über die Arbeitsbedingungen, sagt Eiblmaier. Hackl sekundiert und verweist ebenfalls auf die hohe Belastung durch Mehrarbeit, kurzfristige Dienstplanänderungen und das ständige Tragen der FFP2-Masken.
Die Gewerkschaft fordert einen Sicherheitsgipfel mit Wirtschaftskammer und Regierung. Abgesehen vom Wunsch nach „mehr Respekt und Wertschätzung“für die Beschäftigten von der Regierung, Kunden und den Betrieben, brauche es ein Entlastungspaket.
Palkovich fordert mehr Personal im Lebensmittelhandel, Kontrollen der Corona-Maßnahmen durch eigenes Sicherheitspersonal, raschere Impfung der Handelsangestellten und keine Durchrechnung der Mehrarbeit. Von den Arbeitgebern wünscht man sich eine Abgeltung der Flexibilität der Beschäftigten in einem zeitlich befristeten Zusatzkollektivvertrag. Die Leistungen müssten sich auch am Lohnzettel wiederfinden, so Palkovich.
Einem Zusatz-KV kann Rainer Trefelik, Spartenobmann in der Wirtschaftskammer, wenig abgewinnen. „Das sind Fragen, die man auf innerbetrieblicher Ebene lösen muss“, sagt Trefelik. Das sieht der Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will ebenso. Ein Zusatz-KV würde mehr bürokratischen Mehraufwand als Nutzen stiften, und „bei großen Gipfeln kommt meist mehr heiße Luft als praktikable Lösungen heraus“. Es gelte nun, das Gespräch zu suchen.