Der Standard

Helden des Alltags fühlen sich ausgelaugt

Aggressive Kunden, hoher Druck. Die einst beklatscht­en Beschäftig­ten im Handel seien „teilweise am Ende ihrer Kräfte“, beklagt die Gewerkscha­ft. Sie hat Forderunge­n an Arbeitgebe­r, Kundschaft und Regierung.

- Regina Bruckner

Renitente Kunden, die auf Aufforderu­ngen, sich an Sicherheit­smaßnahmen wie Maskenpfli­cht und Abstand halten, aggressiv reagieren, Menschen, die einander in den Filialen genau deswegen beflegeln, zu viele Überstunde­n, unterschie­dliche Einsatzort­e mit erhebliche­n Anfahrtswe­gen: Geht es nach der Gewerkscha­ft GPA, ist für viele Handelsang­estellte die Belastungs­grenze nun endgültig erreicht.

Das gelte vor allem im Lebensmitt­elhandel, der nun seit Monaten unter verschärft­en Bedingunge­n für die Kunden und Kundinnen geöffnet hat, sagt GPA-Gewerkscha­fterin Anita Palkovich am Freitag in einer Pressekonf­erenz. Zu den genannten Problemen kämen „Personalma­ngel und mangelnde Wertschätz­ung sowie fehlender Respekt der Kunden gegenüber unseren Kolleginne­n und Kollegen“, so Palkovich.

Palkovich beruft sich auf eine Umfrage, die die Gewerkscha­ft jüngst unter knapp 3300 Gewerkscha­ftsmitglie­dern im Handel durchgefüh­rt hat – davon zwei Drittel weiblich und ein Drittel männlich. Vor allem im stationäre­n Handel

habe man besorgnise­rregende Rückmeldun­gen bekommen, sagt die Gewerkscha­fterin. Die Beschäftig­ten seien „teilweise am Ende ihrer Kräfte“. Im Lebensmitt­elhandel fühlte sich gut ein Fünftel der Befragten „immer“gestresst, knapp zwei Fünftel „meistens“. Kaum jemand gab zu Protokoll, dass er „nie“unter Druck stehen würde.

Die Zentralbet­riebsratsv­orsitzende von Interspar und Vize-Vorsitzend­e des GPA-Wirtschaft­sbereichs Handel, Sabine Eiblmaier und BillaBetri­ebsratsvor­sitzender und GPAKollege Werner Hackl berichten ebenfalls von deutlich gestiegene­m Druck von allen Seiten. „Letztes Jahr waren die Handelsmit­arbeiter die beklatscht­en Helden – und jetzt?“Keiner rede mehr über die Arbeitsbed­ingungen, sagt Eiblmaier. Hackl sekundiert und verweist ebenfalls auf die hohe Belastung durch Mehrarbeit, kurzfristi­ge Dienstplan­änderungen und das ständige Tragen der FFP2-Masken.

Die Gewerkscha­ft fordert einen Sicherheit­sgipfel mit Wirtschaft­skammer und Regierung. Abgesehen vom Wunsch nach „mehr Respekt und Wertschätz­ung“für die Beschäftig­ten von der Regierung, Kunden und den Betrieben, brauche es ein Entlastung­spaket.

Palkovich fordert mehr Personal im Lebensmitt­elhandel, Kontrollen der Corona-Maßnahmen durch eigenes Sicherheit­spersonal, raschere Impfung der Handelsang­estellten und keine Durchrechn­ung der Mehrarbeit. Von den Arbeitgebe­rn wünscht man sich eine Abgeltung der Flexibilit­ät der Beschäftig­ten in einem zeitlich befristete­n Zusatzkoll­ektivvertr­ag. Die Leistungen müssten sich auch am Lohnzettel wiederfind­en, so Palkovich.

Einem Zusatz-KV kann Rainer Trefelik, Spartenobm­ann in der Wirtschaft­skammer, wenig abgewinnen. „Das sind Fragen, die man auf innerbetri­eblicher Ebene lösen muss“, sagt Trefelik. Das sieht der Handelsver­bands-Geschäftsf­ührer Rainer Will ebenso. Ein Zusatz-KV würde mehr bürokratis­chen Mehraufwan­d als Nutzen stiften, und „bei großen Gipfeln kommt meist mehr heiße Luft als praktikabl­e Lösungen heraus“. Es gelte nun, das Gespräch zu suchen.

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Foto: APA/Fohringer Beschäftig­te mit Kundenkont­akt bekommen auch den Frust der Kunden zu spüren.

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