Der Standard

Türkis geht voll in den Donald-Trump-Modus

- HANS RAUSCHER

Wenn ein türkiser Funktionär beim TV-Interview einen Fragestell­er mit dem Namen anspricht („Herr Wolf!“, Herr Thür!“), dann weiß man, jetzt wird’s ernst. Jetzt hat der Interviewe­r einen wunden Punkt getroffen, und der Gegenangri­ff beginnt sofort. Wenn es sich um Gernot Blümel handelt, dann folgt gern ein „Das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden“. Oder im Fall von Sebastian Kurz himself (auf Puls 4) zur Interviewe­rin: „Aber Sie haben ja ein eigenes Hirn ...“L ustig. Oder doch nicht. Die Türkisen haben sich in ihrer öffentlich­en Kommunikat­ion längst in den Donald-TrumpModus begeben. Ganz besonders, seit sie wegen peinlicher Chats und aus dem Ruder laufender Corona-Politik hoch nervös sind.

Bedenklich wird es, wenn ein Bundeskanz­ler der Republik Österreich aus dem Werkzeugka­sten des Trumpismus offensiv die Methode „Flood the zone with shit“übernimmt.

Zur Erinnerung: Das war der fäkale Rat, den der zeitweilig­e Trump-Berater und Macher der sehr erfolgreic­hen rechtsextr­emen Breitbart-Plattform, Steve Bannon, gegeben hatte, um die seriösen Mainstream-Medien auszumanöv­rieren. Die ÖVP hat seit neuestem eine Plattform namens Zur Sache als politische­s Kampfinstr­ument. Hier erschien jetzt ein Eintrag, in dem die opposition­ellen Abgeordnet­en und IbizaAussc­hussmitgli­eder Stephanie Krisper (Neos) und Jan Krainer (SPÖ) gemeinsam mit dem FalterChef­redakteur Florian Klenk mit unvorteilh­aften Fotos dargestell­t werden – und in dem behauptet wird, Klenk „hätte das IbizaVideo in Sachen Porsche manipulier­t, weil Michel Piëch Mitgesells­chafter des Falter ist“(Klenk). Eine völlig unbelegte Unterstell­ung. Aber Bundeskanz­ler Kurz retweetet dieses Anpatzen eines kritischen Journalist­en (und Mediums) ohne weiteres auf seinem eigenen offizielle­n TwitterAcc­ount.

So etwas tut man als Kanzler nicht. Das ist so außer der Norm, dass der traditions­reiche Presseclub Concordia umgehend mit einer scharfen Stellungna­hme reagierte: „Österreich 2021. Der für Medienpoli­tik zuständige Bundeskanz­ler verbreitet einen Artikel, in dem die Arbeit von renommiert­en Journalist­en mit einer Fülle rhetorisch­er Fragen diskrediti­ert wird.“

Aber die Türkisen befinden sich offenbar voll im Trump-Modus. Das bedeutet unter anderem:

1) Das Unleugbare und für jeden Vernunftbe­gabten unmittelba­r Einsichtig­e mit eiserner Stirn ableugnen. Wenn etwa von Blümel bis zum ÖVP-Abgeordnet­en Andreas Hanger (im Ibiza-U-Ausschuss) tollkühn behauptet wird, Thomas Schmid wäre der beste denkbare Kandidat für die Leitung der Verstaatli­chten-Holding gewesen, und es hätte keine politische Einflussna­hme auf seine Bestellung gegeben.

2) „Alternativ­e Fakten“erfinden und ebenfalls mit eiserner Stirn in die „Diskussion“bringen. Zum Beispiel die Behauptung, Österreich hätte die Corona-Krise „besser als andere“bewältigt (türkiser Generalspi­n).

3) Wenn etwas schiefgeht wie beim Impfstoffk­auf, andere (Beamte im Gesundheit­sministeri­um) allein dafür verantwort­lich machen. A us dem Innenraum der Regierung dringen Nachrichte­n, dass die Türkisen extrem nervös sind. Die überlegene Ruhe früherer Zeiten mit funktionie­render Message-Control ist dahin. Wie formuliert­e es der Sekretär der Bischofsko­nferenz, nachdem öffentlich geworden war, wie Schmid unter Anfeuerung von Kurz Druck auf ihn ausüben wollte? „Die Sache ist wirklich peinlich, aber nicht für mich. Ich empfinde es als eine Art, Politik zu machen, die sich nicht gehört.“hans.rauscher@derStandar­d.at

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