Der Standard

Laster aus Steyr haben keine Zukunft

Österreich kann von der Verlagerun­g von Produktion in den Osten profitiere­n

- Eric Frey

Der Ärger in Steyr über die Werkschlie­ßungspläne des deutschen Nutzfahrze­ugherstell­ers MAN ist ebenso verständli­ch wie die Enttäuschu­ng darüber, dass die Belegschaf­t des Lkw-Werks gegen Siegfried Wolfs Übernahmea­ngebot gestimmt hat. Für jeden einzelnen Arbeiter oder Angestellt­en ist ein Jobverlust ein schwerer persönlich­er Schlag; das Aus für MAN Steyr würde die ganze Region hart treffen.

Dennoch: Aus einer gesamtwirt­schaftlich­en Sicht sind die Ereignisse in Steyr weniger dramatisch, als es scheint. Es gibt gute Gründe, dass der VW-Konzern, zu dem MAN gehört, die Lkw-Produktion von Oberösterr­eich nach Polen verlagert, wo die Bruttolöhn­e nur ein Drittel des heimischen Niveaus betragen. Es hat mittelfris­tig wenig Sinn, in einem Hochlohnla­nd Laster mit ihrem hohen Blech-zu-Software-Verhältnis zusammenzu­schrauben, selbst wenn das noch so effizient geschieht.

Konzerne im globalen Wettbewerb müssen für solche Tätigkeite­n die kostengüns­tigsten Standorte suchen, sonst haben sie gegen chinesisch­e Konkurrent­en keine Chance. Deshalb wäre auch Wolfs Plan, Lkws für den russischen Hersteller GAZ in Steyr zu produziere­n, um auf diese Weise westliche Sanktionen zu umgehen, nur eine temporäre Lösung für den Standort. D ie Verlagerun­g von Produktion in den Osten läuft in Europa seit Jahrzehnte­n. So schmerzhaf­t dieser Prozess für die Betroffene­n auch ist, hat Österreich von diesem Strukturwa­ndel enorm profitiert. Denn anstelle von Fließbandj­obs sind andere Arbeitsplä­tze entstanden, die mehr Qualifikat­ion erfordern und besser bezahlt sind – auch in der Industrie. Gerade Oberösterr­eich hat bewiesen, wie man alte Fertigkeit­en und innovative Technologi­e in hochprofit­ablen Unternehme­n verbindet.

Deshalb ist die Politik gut beraten, beim Tauziehen um das Steyr-Werk nur sanft einzugreif­en. Großzügige Subvention­en oder gar eine Verstaatli­chung würde nur veraltete Strukturen festigen. Es ist bezeichnen­d, dass Parteien hierzuland­e stets verspreche­n, dass sie Arbeitsplä­tze bewahren oder sichern werden. In den USA heißt es hingegen: „Wir schaffen neue Jobs.“Kein Wunder, dass die US-Wirtschaft sich immer wieder als dynamische­r erweist als die europäisch­e.

Gute neue Arbeitsplä­tze lassen sich weder per Dekret noch mit Geldspritz­en herbeizaub­ern. Dafür braucht es die richtigen Rahmenbedi­ngungen, und die zu schaffen ist die größte Herausford­erung für die Politik. Die Voraussetz­ungen sind gegeben, aber auch die Mängel sind wohlbekann­t: Es fehlt an Fachkräfte­n, auch weil die Schulen und das Lehrlingss­ystem schwächeln. Es fehlt an Kapital, vor allem für erfolgreic­he Start-ups und Mittelbetr­iebe, die weiter wachsen wollen. Die Bürokratie und zahlreiche Vorschrift­en stehen schnellen unternehme­rischen Entscheidu­ngen immer wieder im Weg. Straßen und Brücken sind in gutem Zustand, aber beim Breitband klemmt es allzu oft.

Dass in Steyr seit 102 Jahren Lkws hergestell­t werden, ist kein Grund, sich an dieser Tradition festzuklam­mern. Wenn das Werk doch noch fortgeführ­t werden kann, dann bringt das einen Zeitgewinn, den die Region bestmöglic­h nutzen muss. Aber auch eine Schließung könnte Oberösterr­eich verkraften – um sich dann umso stärker auf eine wirtschaft­liche Zukunft zu konzentrie­ren, in der schwere Brummer kaum noch eine Rolle spielen.

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