Der Standard

LESERSTIMM­E

- Thomas Nowotny per Mail

Es war nicht immer so

Betrifft: Chats über Postenscha­cher

Die „Chats“über die Postenbese­tzungen bei der Öbag wurden vom STANDARD, wie auch von den meisten anderen Medien, ausführlic­h kommentier­t. Der Grundtenor aller dieser Kommentare: Diesmal war es etwas spitz; aber im Grunde folge man hier einem historisch etablierte­n Muster. Der „Postenscha­cher“hätte Tradition. Alle früheren Regierunge­n hätten im Grunde das Nämliche praktizier­t. Kanzler Sebastian Kurz hat das im Bundesrat ausdrückli­ch unterstric­hen: Es sei selbstvers­tändlich, dass wichtige Posten mit „Menschen des Vertrauens“besetzt werden.

Das ist unzutreffe­nd. Es war nicht immer so: Zum Gouverneur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk kürte Bundeskanz­ler Bruno Kreisky – dem ich als Sekretär diente – den ehemaligen ÖVP-Finanzmini­ster Stephan Koren. Chef der verstaatli­chten Industrie wurde ein parteifrei­er Fachmann. Die Ernennung von parteifrei­en Ressortche­fs für das Außen- und Verteidigu­ngsministe­rium sollte signalisie­ren, dass die für den Staat zentrale Sicherheit­sund Außenpolit­ik auf einer möglichst breiten Grundlage des Konsenses aller Parteien aufruhen sollte. Höchster Beamter im Kanzleramt blieb unbehellig­t Sektionsch­ef Roland Jiresch, der Obmann des notorisch ÖVP-nahen Cartellver­bandes – CV.

Das traditione­lle österreich­ische Berufsbeam­tentum hat Kreisky nicht durch Generalsek­retäre und umfassende „Message-Control“kujoniert; sondern aufgewerte­t – etwa durch die Schaffung einer Bundesverw­altungsaka­demie.

Es war nicht immer so. Und es muss nicht immer so bleiben.

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