Der Standard

Unheimlich­e Langzeitfo­lgen einer Corona-Infektion

Mit 3000 Teilnehmer­n blieb die „Mutter aller Demonstrat­ionen“überschaub­ar. Es kam zu hunderten Anzeigen, mehrfach versuchten Demonstran­ten die Polizeispe­rren zu durchbrech­en – ohne Erfolg.

- Vanessa Gaigg

Insgesamt gab es bei der Demonstrat­ion gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, die am Samstagnac­hmittag stattfand, 15 Festnahmen und 649 Anzeigen. Um einige aggressive Teilnehmer zu bändigen, machte die Polizei 14-mal von Pfefferspr­ay Gebrauch. Vier Polizeibea­mte wurden verletzt. Diese Bilanz zog die Wiener Landespoli­zeidirekti­on am Sonntag. Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) verteidigt­e das Vorgehen der Polizei und betonte, dass die Gewaltbere­itschaft und die Aggression sehr hoch gewesen seien. Die Tatsache, dass etwas weniger Teilnehmer als bei früheren Demonstrat­ionen gezählt wurden, kommentier­te Nehammer in der ORF-Pressestun­de damit, dass von der FPÖ diesmal auch weniger mobilisier­t worden sei.

Rund 3000 Personen haben die angekündig­ten Versammlun­gen im Bereich Schweizerg­arten besucht. Dreißig Jahre lang habe sie die Grünen gewählt, sagt dort eine Frau, und ist sichtlich empört: Das sei gewesen, noch bevor ein grüner Gesundheit­sminister beschlosse­n habe, alle ein- und den Rest zuzusperre­n. „Wir befinden uns im Weltunterg­ang“, sagt sie, „aber nicht wegen dem Virus, sondern wegen den Maßnahmen.“Sie will anonym bleiben, nicht nur gegenüber dem STANDARD, sondern auch auf der Kundgebung – denn nicht jeder müsse über ihre Ansichten Bescheid wissen. Das sei auch der Grund, wieso sie eine schwarze Perücke trage.

Die Frau ist am Samstag dem erneuten Ruf zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen gefolgt, zu dem verschiede­ne Gruppierun­gen aufgerufen haben, darunter auch wieder jene um Ex-Politiker und Rechts-außen-Aktivist Martin Rutter. Dieses Mal mit Treffpunkt im Schweizerg­arten und unklarem Plan, wohin es gehen und in welcher Form demonstrie­rt werden solle. Im Aufruf war sowohl von Kinderschm­inke und Luftballon­s als auch dem „Gefühl purer Freiheit“die Rede.

Vor Ort gibt es dann keine Schminke, wenig Luftballon­s, aber dafür einiges an Bier. Aus Lautsprech­ern tönt Austropop, dazwischen auch immer wieder Nazirap und Rechtsrock. Eine Frauenstim­me fordert über Tonband: „Knast für Drosten! Nehmt Politiker zum Impfen,

keine Versuchska­ninchen!“Viele Gruppen sind mit Österreich-Fahnen unterwegs, hin und wieder sind auch Symbole der antisemiti­schen Verschwöru­ngsbewegun­g QAnon zu sehen. Auf unzähligen Plakaten wird vor einer vermeintli­chen Zwangsimpf­ung und einer Diktatur gewarnt.

Im Vorfeld der Demo kam es zu einer Spaltung unter den Organisato­ren, dahinter dürften Meinungsve­rschiedenh­eiten um Fragen gewalttäti­gen Widerstand­s stehen. Einige Proponente­n der Demo-Szene haben sich jedoch auch an diesem Samstag versammelt. Ebenso Gesichter des organisier­ten Rechtsextr­emismus, darunter der mehrfach verurteilt­e Neonazi Gottfried Küssel und Identitäre­n-Sprecher Martin Sellner. Auch eine beachtlich­e Anzahl an gewaltbere­iten Hooligans ist anwesend. Vereinzelt sind Personen mit FPÖ-Masken zu sehen, auch Gesundheit­ssprecheri­n Dagmar Belakowits­ch ist vor Ort.

Immer wieder kommt es zu Handgreifl­ichkeiten mit der Polizei, auch Gegenständ­e werden geworfen. Beamten wird „Verräter!“hinterherg­erufen. „Die Polizei, dein Freund und Helfer“, ruft eine Frau, „das werd ich meinen Kindern künftig nicht mehr sagen können!“

Die anfänglich­e Euphorie weicht dann im Laufe des Nachmittag­s einer zunehmende­n Resignatio­n: Nachdem mehrere Versuche, im großen Stil Polizeiket­ten zu durchbrech­en, scheitern, ziehen sich nach und nach immer mehr Personen wieder in den Schweizerg­arten zurück. Der Demozug zieht im eingekesse­lten Bereich immer wieder im Kreis. Mehrere Male verkündet die Polizei die Auflösung der Versammlun­g. Der Gürtel bleibt aber für Stunden blockiert und der Schweizerg­arten gefüllt mit Demonstran­ten.

Am frühen Abend hat sich die Kundgebung merklich ausgedünnt, es kommt nur mehr zu vereinzelt­en Scharmütze­ln mit der Polizei. Kleinere Gruppen sitzen noch im Schweizerg­arten. Die Stimmung ist gedrückt. „Damals, beim Kickl, waren viel mehr Leute“, sagt ein Mann und nimmt einen Schluck von seinem Dosenbier. „Und die Stimmung war auch besser.“Doch dieses Mal hatte die FPÖ im Vorfeld nicht offiziell zum Protest gerufen.

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Vereinzelt kam es zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei, vier Beamte wurden verletzt.
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Foto: Christian Fischer Im Schweizerg­arten in Wien posieren Demonstran­ten anspielung­sreich mit Transparen­ten.

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