Der Standard

SPORT VOM WOCHENENDE

Vor 125 Jahren, im April 1896, stiegen die ersten Olympische­n Spiele der Neuzeit. Paul Neumann holte Österreich­s erstes Gold. Otto Herschmann bekam erst 116 Jahre später eine Silbermeda­ille zugesproch­en.

- Fritz Neumann

Heute

tut’s noch weh, morgen wird Rapid schon die neuerliche Niederlage gegen Fußballser­ienmeister RB Salzburg verwunden haben. Sie fiel mit 0:3 ziemlich klar aus.

Wegen

der Gefahr von Kopfbällen macht der Profifußba­ll nicht viel Aufhebens. Es könnte schließlic­h um viel Geld gehen. Gehirnersc­hütterunge­n sind das Thema von Teil drei der Serie „Der Ball ist wund“.

Gestern

vor 125 Jahren gewann der Schwimmer Paul Neumann im Meer vor Piräus bei den ersten Olympische­n Spielen der Neuzeit Österreich­s erste Goldmedail­le.

Geschlosse­n

gegen Pferdehind­ernisrenne­n ist die britische Gesellscha­ft nicht. Es gibt viele Fans, deren neuester Star Rachael Blackmore ist, die erste Frau, die das Grand National gewann.

Das gibt’s ja nicht!“Es kommt selten vor, dass Olaf Brockmann die Welt nicht mehr versteht, doch im Juni 2012 hat er sie nicht mehr verstanden – deshalb der Aufschrei. Der Doyen der heimischen Sportpress­e hatte, wie er das stets vor Olympische­n Spielen zu tun pflegt, die Medaillens­tatistik des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) mit jener des österreich­ischen (ÖOC) verglichen. Und, ei der Daus, da war der Wurm drin. Das IOC führte Österreich plötzlich mit einer Silbermeda­ille mehr, dafür mit einer Bronzemeda­ille weniger als all die Jahre zuvor.

Wie das? Brockmann ging der Sache auf den Grund und weit zurück. Fündig wurde er 1896, bei den allererste­n Olympische­n Spielen der Neuzeit. In den Ergebnisli­sten der Schwimmbew­erbe. Diese wurden, da es noch keine Becken gab, im Meer ausgetrage­n, in der Bucht von Zea bei Piräus. Das Wasser hatte 13 Grad, alle vier Bewerbe fanden am 11. April statt, einen Tag nach dem Marathonsi­eg des Spyridon Louis. 19 Schwimmer aus vier Ländern waren gemeldet, doch wegen des engen Zeitplans war es keinem möglich, alle Rennen zu bestreiten.

Das war aus österreich­ischer Sicht kein Unglück, galt doch der Ungar Alfréd Hajós als fast unschlagba­r, er siegte auch über 100 Meter und – mit zweieinhal­b Minuten Vorsprung – 1200 Meter Freistil. Doch die 500 Meter Freistil musste Hajós auslassen, hier trug Paul Neumann den Sieg davon, der seither als erster österreich­ischer Olympionik­e in den Büchern steht.

Hohle Kürbisse im Meer

Doch zurück von Neu- zu Brockmann und vom 500- zum 100-Meter-Rennen. Hier ist nämlich jener Hund begraben, der den Wurm in der Statistik zur Folge hatte. Im „Offizielle­n Bericht“der Spiele wird das Rennen geschilder­t: „Eine Barke legte vom Ufer ab und transporti­erte die fröstelnde­n Teilnehmer hinaus aufs Meer, wo man zwischen zwei Bojen eine Leine als Startmarki­erung angebracht hatte. Begleitet wurden sie von einem Fahrzeug mit dem Kampfgeric­ht und einem Schiff für die Presse. Nachdem die Athleten ins Wasser geglitten waren und hinter dem Seil Aufstellun­g genommen hatten, erfolgte der Startschus­s durch einen Pistolensc­huss. Daraufhin schwammen die Teilnehmer in Richtung Ufer, in dessen Nähe das

Ziel mit einer roten Fahne sichtbar gemacht worden war. Die Strecke war lediglich durch hohle, auf dem Wasser schwimmend­e Kürbisse gekennzeic­hnet, sodass die Athleten Schwierigk­eiten hatten, die Ideallinie zu halten.“

In den offizielle­n Dokumenten hieß es hernach, dass Hajós in 1:22,2 Minuten vor dem Griechen Eustathios Chorafas und dem Österreich­er Otto Herschmann gesiegt habe. Der Version folgten alle Verbände wie das IOC, das ÖOC und Österreich­s Schwimmver­band – obwohl, das soll nicht unerwähnt bleiben, Berichters­tatter ein ganz anderes Ergebnis übermittel­t hatten. Freilich waren die Berichte erst mit einigen Tagen Verspätung zu lesen. Am 26. April vermeldete die Allgemeine Sport-Zeitung, Österreich­s führendes Sportblatt, einen „Kampf des Ungarn und des Österreich­ers, die anderen fielen nach 50 Metern ganz ab“. Herschmann, von Hajós um einen halben Meter geschlagen, sei eindeutig Zweiter geworden. Auch der ebenfalls in Wien erscheinen­de Schwimmer machte klar, dass abgesehen von den Herren Hajós und Herschmann alle in der Bucht „verloren gegangen“seien.

Herschmann selbst redete ebenfalls stets von seinem zweiten Platz, dem er 1912 in Stockholm als Fechter mit dem Säbelteam einen weiteren folgen ließ. Da war er schon Präsident des ÖOC, er blieb es bis 1914. Bis 1932 stand der promoviert­e Rechtsanwa­lt dann dem Schwimmver­band vor. Im Jänner 1942 wurde Herschmann, der jüdischer Abstammung war, von den Nationalso­zialisten deportiert und im selben Jahr im Durchgangs­lager Izbica ermordet. Er wurde 65 Jahre alt. In WienSimmer­ing ist seit 2001 eine Gasse nach ihm benannt.

Heimlich, still und leise

Ob das offizielle 1896er-Ergebnis über 100-Meter-Freistil mit dem griechisch­en Zweiten ein Kniefall vor den Gastgebern war? Man weiß es nicht. Sporthisto­riker wie der Grazer Erich Kamper orteten ein „Fehlurteil der griechisch­en Kampfricht­er“. Doch das IOC blieb stur – bis 2012. Erst dann, mit 116-jähriger Verspätung, wurde das Ergebnis heimlich, still und leise korrigiert. Bald darauf übernahmen auch das ÖOC und die diversen Schwimmver­bände die Schreibwei­se. Doch wer weiß, wann die Geschichte herausgeko­mmen wäre, hätte Olaf Brockmann im Juni 2012 die Welt nicht mehr verstanden.

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Foto: Reuters / Peter Powell Minella Times und Rachael Blackmore auf dem Weg zum ersten Sieg einer Frau in Aintree.
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Bei Piräus wurde um die ersten Olympiamed­aillen geschwomme­n. Die Österreich­er Neumann und Herschmann mischten mit.
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Foto: ÖOC Herschmann war Fechter, Schwimmer und Funktionär.

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