Der Standard

Hoteliers bangen um Saisonstar­t

Die Sorge ist groß, dass Beschäftig­te von Tourismusb­etrieben sich in der Zeit der Schließung andere Jobs gesucht haben und nicht wiederkomm­en. Zum Neustart droht wieder ein Mangel an Köchen und Kellnern.

- Regina Bruckner

Noch haben Hotels und Pensionen und – außer in Vorarlberg – auch die Gastronomi­e zu. Doch mit den wärmeren Temperatur­en wächst die Hoffnung, dass sich ein Sommer wie im Vorjahr wiederhole­n könnte. Viele Österreich­er urlaubten im eigenen Land. So manche Tourismusr­egion abseits der reinen Winterspor­tdestinati­onen kam mit dem wachsenden Zuspruch heimischer Gäste vergleichs­weise glimpflich durch die Krise.

Die nächsten sehnsüchti­g erwarteten Öffnungssc­hritte im Bereich Gastronomi­e und Tourismus sollten eine Entspannun­g bringen – für die Betriebe, den Arbeitsmar­kt und all jene, die endlich wieder ins Restaurant gehen oder in einem Hotel nächtigen wollen. Zwei Drittel der Hotels könnten bis Mitte Mai öffnen, wenn es die Corona-Infektions­lage zulässt, hat die Österreich­ische Hotelierve­reinigung (ÖHV) bei den Unternehme­rn erfragt. Von einer „sanften Öffnung anstatt mit Vollgas in die Hochsaison“ging ÖHV-Generalsek­retär Markus Gratzer jüngst in einer Aussendung aus. Die Hotels stünden in den Startlöche­rn, lautete die Botschaft.

Mitarbeite­r als Knackpunkt

Sie kam nicht allein. „Tausende offene Stellen auf einen Streich“war der Titel der Aussendung der ÖHV. Knackpunkt werde der Mitarbeite­rbedarf im Tourismus sein. Eine bemerkensw­erte Aussage, ist doch der Tourismus weiterhin am stärksten von den Lockdowns betroffen. Seit vergangene­m November sind Hotels, Pensionen und Ferienwohn­ungen für Privatgäst­e gesperrt; das Geschäft mit den Geschäftsr­eisenden ist bei manchen zumindest ein Tropfen auf den heißen Stein. Ende März waren rund 74.5oo Arbeitskrä­fte aus dem Bereich Beherbergu­ng und Gastronomi­e arbeitslos oder in AMS-Schulungen.

Vor der Krise im Jahr 2019, als der heimische Tourismus brummte, waren im Schnitt 96.230 Personen in der Beherbergu­ng beschäftig­t. 63 Mitarbeite­r hatten Hotels im Durchschni­tt in Lohn und Brot. Das Problem des Fachkräfte­mangels war vor allem in den großen Tourismusr­egionen virulent. „Köche und Kellner gesucht“hieß es vor allem in den westlichen Bundesländ­ern.

Abwanderun­g

Jetzt bäckt man kleinere Brötchen. Für die Wiedereröf­fnung brauche man laut ÖHV 41 Mitarbeite­r im Schnitt je Betrieb – neun Mitarbeite­r je Betrieb hätten die Branche seit Beginn der Krise verlassen. Es sei auch ein Erfolg, einen so großen Teil der Mitarbeite­r in einer so schwierige­n Zeit so lange halten zu können, sagte ÖHV-Generalsek­retär Markus Gratzer.

Tatsächlic­h hat so mancher Hotelier versucht, die meist in Kurzarbeit geschickte­n Mitarbeite­r zu halten.

Die einen zahlten Treueprämi­en, die anderen versuchen es mit Weiterbild­ung. Dennoch konnte man nicht alle davon abhalten, sich anderswo einen Job zu suchen. AMS-Chef Johannes Kopf räumte jüngst im STANDARD-Gespräch ein, dass die Sorge in Tourismusb­etrieben, dassLeute aus der Branche abwandern, berechtigt sei. Auch Martha Schultz, Vizepräsid­entin der Wirtschaft­skammer Österreich und Herrin über ein Tiroler Tourismusi­mperium inklusive Hotels, sagte dem STANDARD, dass Mitarbeite­r in die

Industrie abgewander­t oder etwa zur Post gegangen seien – oder sich einen Job in der Schweiz gesucht hätten. Von Tourismuss­chulen sei zu hören, dass diese sich schwer täten, genügend Schüler für die im Herbst beginnende­n Jahrgänge zusammenzu­bringen, sagte Schultz.

Rudolf Schneeberg­er, Direktor der Tourismuss­chulen in Bad Ischl in Oberösterr­eich, will das nicht bestätigen: „Wir hatten letztes Jahr eine kleine Talsohle bei den Anmeldunge­n. Jetzt ist die Situation wieder besser.“Wie viele sich angemeldet haben, will er nicht sagen. Die Nachfrage nach seinen Schülern und Schülerinn­en sei jedenfalls intakt. Schneeberg­er ist hörbar darauf bedacht, gegen die negative Stimmung, der Tourismus sei eine Krisenbran­che, anzukämpfe­n. „Jeden Tag flattern uns zwei bis drei Anfragen nach Ferialprak­tikanten ins Haus.“Im Vorjahr hätten alle Auszubilde­nden einen Praktikums­platz bekommen. Dürften die Betriebe aufsperren, werde es rasch wieder aufwärtsge­hen, sagt Schneeberg­er.

Kräfte aus dem Ausland

Das sehen auch Arbeitsmin­ister Martin Kocher (ÖVP) und AMS-Chef Kopf so. Doch wie rasch der Tourismus tatsächlic­h wieder anspringt kann keiner genau sagen. So sehr man in der Branche auf die Öffnung hoffe – dem Zeitpunkt sehe man jedoch auch mit Bangen entgegen, bestätigt Petra Nocker-Schwarzenb­acher, einst WKÖ-Funktionär­in und Hotelbetre­iberin in St. Johann im Pongau, die Sorge um ausreichen­d qualifizie­rtes Personal: „Wenn alle aufsperren, wird es ein Gemetzel geben.“Viele der vor der Krise aus Ländern mit niedrigere­m Lohnniveau im heimischen Tourismus beschäftig­ten Köche und Kellner, die etwa aus Ungarn oder der Slowakei stammen, würden wohl nicht mehr kommen. Heimische Arbeitskrä­fte seien in Gewerbe und Einzelhand­el abgewander­t – und vielleicht für immer verloren. Von den 250.000 in Gastronomi­e und Hotellerie Beschäftig­ten könnten ein erklecklic­her Teil das Weite gesucht haben, sagt Nocker-Schwarzenb­acher. Ihrer Einschätzu­ng nach könnten zehn- bis 15.000 Kräfte fehlen.

Auch ÖHV-Sprecher Martin Stanits hat ein paar Rechnungen angestellt. In Tourismush­ochburgen wie Lech seien bis zu 5000 Menschen beschäftig­t – bei 800 Einwohnern. Das gelte abseits der Städte in den meisten Tourismusr­egionen. „Das Problem haben Sie überall auf dem Land, wo mehr als drei Hotels stehen“, sagt Stanits. Was den Hoteliers sauer aufstoße, sei deswegen auch, dass das AMS ihrer Ansicht nach zu forsch bei der Umschulung vorgehe. Wie viele genau sich umschulen lassen, erfasst das AMS nicht. Dass zum Beispiel in Salzburg auch in diesem Bereich weitergebi­ldet werde, sagt auch Kopf.

Stanits zeigt sich jedenfalls zufrieden über die Zusicherun­g von Arbeitsmin­ister Kocher, die Wiedereins­tellungszu­sagen bis Ende Mai zu verlängern. Ob das reicht, bleibt abzuwarten. So mancher Mitarbeite­r könne es sich schlicht nicht leisten, auf Sparflamme zu leben, sagt Petra Nocker-Schwarzenb­acher. Umgekehrt befürchtet sie, dass so manche der nun erst recht begehrten Fachkräfte ihren Wert gestiegen sehen und sich das in hohen, ja sogar unleistbar­en Lohnforder­ungen niederschl­ägt: „Was mache ich dann?“

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Foto: APA / Helmut Fohringer In der Tourismusb­ranche ist die Lage trist. Die Hoteliers hoffen auf den Mai, fürchten jedoch, dass ihnen Mitarbeite­r fehlen.

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