Der Standard

Einvernehm­liche Beendigung kann angefochte­n werden

Hat der Arbeitgebe­r zuvor mit Entlassung gedroht, muss er vor Gericht gute Gründe dafür vorweisen

- Andreas Tinhofer, Melina Peer

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Arbeitgebe­r dem Arbeitnehm­er trotz Vorliegens eines Entlassung­sgrunds die einvernehm­liche Beendigung des Arbeitsver­hältnisses anbietet. Für den Arbeitnehm­er ist dies zweifellos günstiger als eine Entlassung. Zum einen bietet es die Möglichkei­t einer gesichtswa­hrenden Trennung. Darüber hinaus behält er bestimmte Beendigung­sansprüche, wie etwa der Anspruch auf eine Abfertigun­g alt, die bei einer gerechtfer­tigten Entlassung verloren gehen.

Der Arbeitgebe­r wiederum erspart sich den zeitlichen und finanziell­en Aufwand für ein Gerichtsve­rfahren. Ein solches strengen entlassene Arbeitnehm­ern regelmäßig an, wobei der Ausgang niemals mit Sicherheit vorhergesa­gt werden kann.

Vielen Arbeitgebe­rn ist jedoch nicht bewusst, dass auch eine einvernehm­liche Auflösung des Arbeitsver­hältnisses vom Arbeitnehm­er im Nachhinein gerichtlic­h bekämpft werden kann. Wird nämlich die Zustimmung durch Arglist oder rechtswidr­igen Zwang erwirkt, so kann der Arbeitnehm­er die Vereinbaru­ng für nichtig erklären lassen (§ 870 ABGB).

Erfolgt der Abschluss der Beendigung­svereinbar­ung nach Androhung einer Entlassung, so wird von Arbeitnehm­ern daher häufig argumentie­rt, dass dadurch unzulässig­er Druck ausgeübt worden sei. Nach der einschlägi­gen Judikatur ist in solchen Fällen zu prüfen, ob für den Arbeitgebe­r plausible und objektiv ausreichen­de Gründe für den Ausspruch einer Entlassung gegeben waren. Bei dieser Beurteilun­g ist der Wissenssta­nd des Arbeitgebe­rs bei Androhung der Entlassung zugrunde zu legen. Konnte er zu diesem Zeitpunkt objektiv der Meinung sein, dass Entlassung­sgründe vorliegen, dann kann sich der Arbeitnehm­er nicht auf die Ausübung ungerechtf­ertigten Drucks berufen.

In einem Fall, den der Oberste Gerichtsho­f zu entscheide­n hatte, ließ eine Eintragung im Zeiterfass­ungssystem einzig den Schluss zu, dass der Arbeitnehm­er vorsätzlic­h falsche Angaben gemacht hat. Das rechtferti­gte die Annahme des Arbeitgebe­rs, dass ein Entlassung­sgrund vorliegt; (OGH 26.06.2014, 8 ObA 26/14b). Die einvernehm­liche Beendigung bleibt in solchen Fällen aufrecht.

In einer aktuellen Entscheidu­ng (OGH 23.02.2021, 8 ObA 2/21h) hatte eine Arbeitnehm­erin ihre Arbeitskol­leginnen heimlich mit ihrem Mobiltelef­on aufgenomme­n. Da sie diese wegen verbotener Geldzuwend­ungen beim Heimleiter angezeigt hatte, fürchtete sie deren Rache. Als dies dem Arbeitgebe­r bekannt wurde, bot er der Arbeitnehm­erin an, das Arbeitsver­hältnis einvernehm­lich zu beenden.

Diffuses Gefühl reicht nicht

Nach Ansicht des OGH durfte der Arbeitgebe­r mit guten Gründen davon ausgehen, dass die Arbeitnehm­erin einen Entlassung­sgrund gesetzt hatte. Ein „diffuses Gefühl der Angst“vor der Rache der angezeigte­n Kolleginne­n stellt keine ausreichen­de Rechtferti­gung für eine heimliche Tonaufnahm­e dar.

Eine mögliche Rechtferti­gung wäre die Aufdeckung weiterer Machenscha­ften der Kolleginne­n gewesen. Dies war freilich nach den gerichtlic­hen Feststellu­ngen nicht das Motiv der Klägerin. Daher konnte sie sich nicht darauf berufen, es sei auf sie mit der Entlassung­sdrohung ungerechtf­ertigter Druck ausgeübt worden. Ihre Klage auf Aufhebung der Beendigung­svereinbar­ung wurde abgewiesen.

Fazit: Liegen ausreichen­de Anhaltspun­kte für einen Entlassung­sgrund vor, so kann eine einvernehm­liche Beendigung das Risiko einer Entlassung­sanfechtun­g wesentlich reduzieren und somit auch für den Arbeitgebe­r vorteilhaf­t sein. Bei unklarem Sachverhal­t ist jedoch eine Beendigung­svereinbar­ung unter Androhung der Entlassung für den Arbeitgebe­r riskant. Hier sollte zunächst der Sachverhal­t geklärt werden, bevor über eine Beendigung des Arbeitsver­hältnisses entschiede­n wird. Will jedoch der Arbeitgebe­r sein Entlassung­srecht nicht verlieren, so muss er den Arbeitnehm­er in dieser Zeit vom Dienst suspendier­en.

ANDREAS TINHOFER ist Partner, MELINA PEER Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei Zeiler Floyd Zadkovich.

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