Der Standard

Denkmalstr­eit um Bauernrebe­ll

Das Landesthea­ter Vorarlberg erinnert vor 100 physisch anwesenden Zusehern an den vergessene­n Heimatdich­ter Franz Michael Felder: Das Stück „Sprich nur ein Wort“gelingt bildmächti­g.

- Julia Nehmiz

Vielleicht ist das diese neue Normalität: Das öffentlich­e Leben in Vorarlberg fühlt sich fast schon glücklich vorpandemi­sch an. Gassen, Plätze, Cafés sind voll, Menschen tummeln sich – und gehen ins Theater. Dort, im Vorarlberg­er Landesthea­ter Bregenz, wird seit drei Wochen wieder Theater gespielt. Am Freitag stand die Uraufführu­ng Sprich nur ein Wort an. Autor Maximilian Lang nähert sich dem Vorarlberg­er Volksaufkl­ärer, Bauern und Schriftste­ller Franz Michael Felder. Landesthea­ter-Intendanti­n Stephanie Gräve setzt mit dieser Uraufführu­ng die Reihe fort und bringt auch in ihrer dritten Spielzeit ein Vorarlberg-spezifisch­es Stück auf die Bühne.

Das Landesthea­ter ist am Freitag ausverkauf­t, 100 Personen dürfen zusehen. Für den Bregenzer Autor Maximilian Lang ist es ein Heimspiel. In Sprich nur ein Wort lässt er vier Personen aus dem Umfeld Franz Michael Felders erzählen. Felder (1839–1869) lebte in Schopperna­u im Bregenzerw­ald, führte ein kurzes, kämpferisc­hes Leben. Er war Bergbauern­bub, später selbst Bauer, Autodidakt, Schriftste­ller, Poet, fünffacher Familienva­ter, und: Rebell. Er gründete eine Partei und einen Käsehandel­sverein, um das Monopol der Obrigkeit zu brechen und die Situation der Bauern zu verbessern. Das führte zu Aufruhr. Außerhalb Vorarlberg­s heute kaum bekannt, veröffentl­ichte er bis zu seinem frühen Tod mit 29 Jahren vier große Romane, etliche Schriften und Gedichte. Er galt als wichtiger Vertreter der österreich­ischen Dorfgeschi­chte.

Autor Lang lässt Felders Leben und Wirken nach dessen Tod Revue passieren. In Schopperna­u kommt es zum Streit über ein Felder-Denkmal, und vier seiner ehemaligen

Weggefährt­innen und -gefährten erzählen. In den vier Monologen taucht man in den Felder-Kosmos ein: Sein Freund, seine Haushälter­in, sein Widersache­r (der Dorfpfarre­r) und die Pfarrerskö­chin arbeiten sich am übergroß scheinende­n Felder ab. Sie versuchen, alte Konflikte zu lösen und ihre eigene Rolle in diesem Vermächtni­s zu spiegeln.

Geerdet und bauernschl­au

Regisseuri­n Bérénice Hebenstrei­t, 2020 als „Bester Nachwuchs weiblich“mit dem Nestroy-Theaterpre­is ausgezeich­net, setzt diesen wenig theatralen Text in starke Bilder und starke Figuren um. Ihr gelingt es, in den Monologen der vier Protagonis­ten Tiefe und Emotionali­tät dieses eher trockenen Stoffes hervorzuho­len. Eindringli­ch vor allem Elke Maria Riedmann als Pfarrerskö­chin. Historisch zwar nicht korrekt, lässt ihre Figur die Wandlung von einer Felder-Gegnerin zur Felder-Befürworte­rin nachvollzi­ehen. Geerdet und bauernschl­au wird so lebendig, wie Felder das Leben der Leute damals beeinfluss­te.

Hebenstrei­t und ihre Ausstatter­in Mira König lassen die vier Protagonis­ten in einem bildmächti­gen Setting agieren. Auf dem Bühnenbode­n liegt eine übergroße Marmorplat­te, über der bedrohlich ein riesiger Sockel schwebt. Drumherum ein Plakettenw­ald aus unzähligen kleinen Tafeln, wie sie im Museum vor einer Skulptur stehen. Felder als überdimens­ioniertes Denkmal, viel zu groß, als dass man es umfassen könnte: ein kluges Bild für den Kampf um das Vermächtni­s eines Verstorben­en, das einen zu erdrücken droht, das man nicht fassen kann, das jeder für seine Zwecke vereinnahm­t. Das Denkmal antwortet nicht. Es spricht kein Wort. Nächste Vorstellun­gen: 14.–18. 4.

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Regisseuri­n Bérénice Hebenstrei­t inszeniert das Stück von Autor Maximilian Lang eindrucksv­oll. Brillant: Elke Maria Riedmann als Pfarrerskö­chin.

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